Beim Geld ticken die Westschweizer anders Hinzugefügt am 2. Oktober 2019 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug NZZ vom 1. Oktober 2019 / von Thomas Fuster) Was bedeutet Geld? Die Frage wird nicht überall in der Schweiz gleich beantwortet. In der Westschweiz hat Geld eine grössere symbolische Bedeutung als in den anderen Sprachregionen. Das erhöht das Risiko, sich zu verschulden. Menschen sind keine kühl kalkulierenden Maschinen. Ihr Verhalten wird auch geprägt von Herkunft, Kultur und Sprache. In der ökonomischen Forschung wurden solche «weichen» Faktoren lange Zeit eher vernachlässigt. Das hat sich in jüngerer Vergangenheit geändert. So zeigt sich auch in der Schweiz, dass die Bevölkerung je nach Herkunft in ökonomischen Fragen unterschiedlich tickt. Das kann – muss aber nicht – auch kulturelle Gründe haben. Ungeduldige Lateiner Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen beispielsweise, dass Westschweizer weniger sparen als die Deutschschweizer. Personen aus der französischsprechenden Schweiz – und auch jene aus dem Tessin – sind zudem stärker verschuldet als Leute im deutschen Sprachraum. Nun könnte man argumentieren, dass in der Deutschschweiz schlicht mehr Geld vorhanden sei und Ende Monat mehr Bares zum Sparen übrig bleibe. Die Erklärung wäre also im unterschiedlichen Wohlstand zu suchen. Es gibt aber auch Erklärungen, die auf der Einstellung zum Staat fussen. So wird argumentiert, in der Deutschschweiz dominiere – anders als in der lateinischen Schweiz – ein eher liberales Staatsverständnis. Deutschschweizer stützten sich also stärker auf ihre eigenen Ressourcen ab und sparten tendenziell mehr. Ein alternatives Narrativ betont eine angeblich grössere Ungeduld in der lateinischen Schweiz. Dort sei man weniger bereit, materielle Wünsche in die Zukunft zu verschieben. Forscher der Universität Freiburg haben nun einen alternativen Ansatz gewählt. Sie gehen der Frage nach, ob die Menschen in den verschiedenen Sprachräumen der Schweiz aus kulturellen Gründen eine andere Einstellung zum Geld an den Tag legen… Es zeigt sich, dass die Wahrnehmung des Geldes in der Schweiz grundsätzlich recht homogen ist. Geld wird primär als Mittel wahrgenommen, um frei zu sein und das tun zu können, was man will. Hingegen erhält die Meinung, dank Geld mehr Macht zu haben, soziale Anerkennung zu erhalten oder Freunde zu gewinnen, nur schwache Unterstützung. Anders formuliert: Geld wird nur selten als Wert per se betrachtet; das gilt für das ganze Land. Einfluss der Sprachregion Gibt es somit gar keinen Röstigraben beim Geld? Doch, ein solcher Graben existiert laut den Forschern durchaus. Um dies zu zeigen, haben sie aufgrund der Umfrageresultate drei dominante Einstellungen zu Geld ausgemacht. Bei der ersten Einstellung ist Geld vor allem mit Prestige und Macht verbunden. Bei der zweiten Einstellung steht das «gute Verwalten» des Geldes im Fokus. Und im dritten Fall dominiert eine «pragmatische Einstellung»; Geld erscheint als Mittel zur Erreichung diverser Zwecke. Es zeigt sich, dass Männer, in der Schweiz lebende Ausländer und Personen mit sehr hohem Einkommen das Geld häufiger mit Prestige und Macht in Verbindung bringen; Geld wird in dieser Gruppe auch als Mittel gesehen, um sich Respekt und Status zu verschaffen. Schweizer mit mittlerem Bildungsstand betonen derweil vor allem das «gute Verwalten», also eine seriöse und besonnene Haltung. «Der bedeutendste Parameter ist jedoch die Sprachregion», schreiben die Autoren. «Je nach Landesteil sind die Einstellungen unterschiedlich verteilt.» Dabei zeichnet sich aber nicht jede Sprachregion durch eine jeweils typische Einstellung aus. Vielmehr zeigt sich, dass alle drei genannten Einstellungen in der Westschweiz stärker ausgeprägt sind als in den übrigen Landesteilen… Was heisst das? In der Westschweiz wird Geld vergleichsweise stärker auch mit sozialen Beziehungen oder Machtverhältnissen in Beziehung gebracht. In den anderen Sprachregionen misst man dem Geld demgegenüber einen eher geringen sozialen oder symbolischen Wert bei. Aus der Forschung weiss man nun, dass jede Einstellung auch ein bestimmtes Verhalten begünstigt. Wird Geld als Spiegel von Macht und Prestige gesehen, erhöht dies beispielsweise das Risiko, sich zu verschulden. Die Studie bestätigt in der Tat, dass die Westschweizer im Vergleich mit den Deutschschweizern nicht nur eine geringere Neigung zum Sparen aufweisen. Zu beobachten ist auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich zu verschulden, einen Leasingvertrag abzuschliessen oder mit Zahlungsverpflichtungen in Rückstand zu geraten. Noch höher ist die Neigung, Leasingverträge abzuschliessen, übrigens in der italienischen Schweiz. Dort ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu verschulden, ebenfalls höher als im deutschen Sprachraum. Weiterlesen.