Das 14-jährige Spiel mit einem Schuldner Hinzugefügt am 17. August 2018 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Beobachter vom 9. August 2018 / von Henning Hölder) Zunächst mit drohenden Worten, dann mit Charmeoffensiven und Rabatt-Aktionen. Wie ein Inkassounternehmen 14 Jahre lang alles versucht, eine offene Forderung einzutreiben. Was passiert eigentlich, wenn man Mahnungen von Inkassofirmen konsequent ignoriert? Um das herauszufinden, braucht es Sturheit und gute Nerven. Peter Stoller aus Zürich hat augenscheinlich beides und lässt es 2004 darauf ankommen. Er hatte eine Forderung der Cablecom (heute UPC) erhalten, mit der er nicht einverstanden war. Es geht um 20 Franken. Stoller entschliesst sich, keine Beschwerde einzulegen, sondern die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen und abzuwarten. Im September 2004 kommt dann der erste Brief vom Inkassounternehmen Intrum, das inzwischen 64 Franken fordert, inklusive eines Verzugsschadens. 2004 – in diesem Jahr wird Griechenland überraschend Fussball-Europameister und das Videoportal YouTube existiert noch nicht. Strategie 1: Angstmacherei Es folgt ein 14-jähriges Spiel zwischen der Inkassofirma und Stoller. Sie lässt bei der Geldeintreibung nichts unversucht, während er amüsiert dem Treiben folgt. Anfangs versucht es Intrum vor allem mit Einschüchterung. Sollte Stoller nicht zahlen, werde man eine für ihn folgenreiche Betreibung einleiten. Im Herbst 2004 heisst es in einem Brief, dass dies nun seine «letzte Chance zur Wahrung der guten Bonität» sei. Ein halbes Jahr später schreibt Intrum, dass die Betreibung nun angeblich eingeleitet wurde. Die Überschrift des Briefes in grossen Lettern: «Sie riskieren eine Pfändung!» Strategie 2: Charmeoffensive 2007 ändert Intrum die Strategie. Neu versucht man mit Charmeoffensiven und einer Reihe von «Rabatt-Aktionen», Stoller die Zahlung des umstrittenen und kontinuierlich steigenden Betrags schmackhaft zu machen. «Happy 2007, Herr Stoller», wünscht Intrum mit einem grossen farbigen Banner, verbunden mit einer Reduktion von 30 Prozent auf die offene Forderung. Weiter folgen «Herbstreduktionen» in Höhe von 40 Prozent sowie eine «Olympia 2010»-Reduktion von sportlichen 50 Prozent, die Stoller die Chance geben soll, «einen eleganten Sprung über den eigenen Schuldenschatten zu machen». Die graphische Abteilung gab sich hier besonders Mühe und zeigt einen springenden Olympioniken umkreist vom Olympia-Motto: Dabei sein ist alles. 2011 und 2012 wagt es Intrum, sogar den Weihnachtsmann zu instrumentalisieren. Freundlich um die Ecke schauend, schlägt er Stoller vor, die Forderung in zwei Raten zu zahlen. Ein schönes Geschenk zum Fest, doch Stoller will es nicht. Anfang 2017 schliesslich der letzte Versuch, Stoller mit optischen Extras zu überzeugen. Ein Skifahrer fährt den Berg hinab, daneben die Überschrift: «Geradewegs in die schuldenfreie Zielgerade», diesmal verbunden mit 30 Prozent Reduktion… Bis April dieses Jahres dauert das Spiel. Dann konnte Peter Stoller «nicht widerstehen, doch einmal zu antworten». Er schreibt eine E-Mail, in der er Intrum auf die Absurdität der 14-jährigen Serie von Briefen aufmerksam macht. Und siehe da, das Inkassounternehmen stellt die Angelegenheit umgehend ein. So einfach ist das – eigentlich. Wie begründet Intrum die 14 Jahre anhaltende Mahnungsflut und die anfänglichen Betreibungsandrohungen? Daniela Brunner, Kommunikationsleiterin von Intrum, erklärt, dass jede offene Forderung «mittels eines Scorings qualifiziert wird». Das sogenannte Scoring bei Inkassofirmen berücksichtigt meist die Höhe der Forderung und deren Fälligkeit sowie die früheren und aktuellen Inkasso-Verfahren gegen den jeweiligen Schuldner… Intrum von heute ein anderes Unternehmen Für Intrum war also schon von Beginn an klar, dass keine rechtlichen Schritte eingeleitet werden. Wieso dann die anfänglichen Betreibungs- und Pfändungsdrohungen? Waren das etwa reine Einschüchterungsversuche? Daniela Brunner ist es wichtig zu betonen, dass man sich seitens Intrum weiterentwickelt habe. Die Intrum von heute sei ein anderes Unternehmen als 2004. «Wir haben in den letzten Jahren die Art und Weise unserer Kommunikation angepasst.» Man kommuniziere heutzutage fair, transparent und trotzdem konsequent… Peter Stoller hat inzwischen übrigens ein schlagendes Argument: Selbst wenn die Forderung der UPC zu Recht bestanden hätte, sie wäre seit 2009 verjährt. Weiterlesen. Eine Betreibung für 27 Brautkleider Rahmenbedingungen der Praktiken von Inkassounternehmen