«Das ist ein Angriff auf die Sozialhilfe» Hinzugefügt am 24. Juni 2019 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag NZZ online vom 24. Juni 2019 / von Fabian Baumgartner und Stefan Hotz) Die SVP wollte die Schraube in der Sozialhilfe massiv anziehen, der Grundbedarf hätte um 30 Prozent gekürzt werden sollen. Doch bei den anderen Parteien stiess die Partei damit auf wenig Verständnis. Wie viel Zwang ist in der Sozialhilfe nötig? Fast keiner, findet die Stadt Zürich. Sie verzichtet deshalb bei vielen Sozialhilfebezügern darauf, sie mit Sanktionen zum Arbeiten zu bewegen. Ganz anders sieht es jedoch im Kanton aus. In den vergangenen Jahren hat der Kantonsrat die Schraube bei den Sanktionsmöglichkeiten stetig angezogen. Zuletzt beschnitt er die Rekursmöglichkeiten von Bezügern gegen Sanktionen empfindlich. Die Neuerung ist allerdings noch nicht in Kraft, weil das Bundesgericht aufgrund einer Beschwerde aufschiebende Wirkung verfügt hat. Am Montag hat der Rat über eine weitere, massive Verschärfung debattiert. Die SVP fordert, den Grundbedarf bei Sozialhilfebezügern um 30 Prozent zu kürzen und diesen erst bei Wohlverhalten wieder aufzustocken. Der Grundbedarf soll lediglich aus dem Existenzminimum bestehen, eine Zulage solle nur erhalten, wer «integrationswillig, engagiert und motiviert» sei. Im Kanton Bern hatten die Stimmberechtigten das identische Anliegen im Mai an der Urne knapp verworfen. Kritik von allen Seiten Im Parlament erklärte Stefan Schmid (svp., Niederglatt), Sanktionen in der Sozialhilfe seien oft begleitet von einem juristischen Hickhack. Ein renitenter Bezüger könne eine Sanktion verzögern, in einem Fall in Niederglatt gar um dreieinhalb Jahre. «Wir wollen solche Verhältnisse beenden. Fehlbare und renitente Sozialhilfebezüger sollen nicht bessergestellt werden», sagte Schmid. Unterstützung erhielt der Vorstoss jedoch nur von der EDU. Nicht nur von links hagelte es harsche Kritik an der SVP. Auch Linda Camenisch (fdp., Wallisellen) befand, die Motion bringe nur mehr administrativen Aufwand, sonst aber keinen Nutzen. Beim Grundbedarf seien zudem bereits Anpassungen vorgenommen worden. «Es gibt auch eine Pflicht zur Mitwirkung, die eigene Situation zu verbessern.» Thomas Marthaler (sp., Zürich) wiederum erklärte, die Forderung der SVP lasse sich nicht mit den Richtlinien der Skos vereinbaren, zudem sei sie schlicht ein untaugliches Mittel. «Das ist ein Angriff auf die Sozialhilfe.» Es gehe nur um relativ wenige Fälle, das Problem werde hochstilisiert. Und Corina Gredig (glp., Zürich) sagte, so dürfe eine Gesellschaft nicht mit den sozial Schwächsten umgehen. «Wir sind für ein faires Sozialsystem, das Wege in ein eigenständiges Leben aufzeigt.» Es sei problematisch, wenn der Kanton Zürich ein Ausscheren aus der gesamtschweizerischen Regelungen für die Sozialhilfe inszeniere. Alle paar Jahre komme die SVP mit den gleichen Forderungen, fand die grüne Kantonsrätin Kathy Steiner. Sie warf der Partei vor, statt gegen Armut zu kämpfen, gehe sie gegen die Armen vor. Am Ende lehnte der Kantonsrat eine Überweisung der Motion mit 121 zu 48 Stimmen klar ab. Textauszug aus dem Buch „Schuldbetreibungs- und Konkursrecht – Ein Leitfaden für die Praxis“, orell füssli Verlag / von Josef Studer und Markus Zöbeli: Das betreibungsrechtliche Existenzminimum ist nicht zu verwechseln mit z.B. dem Existenzminimum für Sozialhilfebezüger, welches sich in der Regel aus den SKOS-Richtlinien ergibt. Im Vergleich zu früher sind die SKOS-Richtlinien heute sowohl beim Grundbetrag wie oft auch bei den Wohnungskosten und den Beiträgen für die Kinder zum Teil massiv tiefer (Beispiel gemäss SKOS-Richtlinien: Grundbetrag Einzelperson CHF 985, vergleiche mit dem betreibungsrechtlichen Grundbetrag im Existenzminimum über CHF 1’200.00).