Der Schutz vor Betreibungen wird gelockert Hinzugefügt am 10. April 2020 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag NZZ vom 9. April 2020 / von Thomas Fuster) Der landesweite Stopp für Betreibungen gilt in der Schweiz nur noch bis zum 19. April. Der Bundesrat dürfte aber schon kommende Woche neue Massnahmen zur Verhinderung von Konkursen verabschieden. Den Schweizer Bundesrat drängt es zurück zur Normalität. So hat die Landesregierung nicht nur angekündigt, die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ab dem 26. April schrittweise zu lockern. Schon eine Woche früher, also am 19. April, wird auch der Rechtsstillstand im Betreibungswesen beendet. Ein solcher Stillstand, wie er in der Schweiz seit Mitte März gilt, sei langfristig kein geeignetes Instrument, um den gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Donnerstag vor Medienvertretern. Die Lehren von 1914 Was droht, wenn über einen längeren Zeitraum keine Betreibungen mehr möglich sind, zeigen die Erfahrungen von 1914. Bereits damals, beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hatte die Schweiz während zweier Monate zu diesem Instrument gegriffen. Die Folgen waren negativ: Die Zahlungsmoral sank, viele Unternehmen zahlten keine Rechnungen mehr, und es kam zu zusätzlichen Liquiditätsengpässen mit hohen Folgekosten. Eine ähnliche Dynamik soll heute vermieden werden. Geschützt werden sollen daher auch die Gläubiger, die derzeit ihre Forderungen kaum noch durchsetzen können. Trotz baldigem Ende des Betreibungsschutzes sollen grundsätzlich solide Unternehmen, die aufgrund des Coronavirus unverschuldet in eine Notlage geraten sind, weiterhin vor einem Konkurs geschützt werden können. Der Bundesrat schwenkt in seiner Strategie aber um: An die Stelle der flächendeckenden Notmassnahme eines generellen Fristenstillstands, der in der Praxis wenig Differenzierungen zulässt, soll neu ein punktuelles und gezielteres Vorgehen treten. Der Bundesrat will am 16. April entsprechende Vorschläge beschliessen; das neue Regelwerk tritt danach voraussichtlich am 20. April in Kraft. Möglichkeit zum Konkursaufschub Wie will die Regierung unnötige Konkurse aufgrund der Corona-Krise vermeiden? Der Bund führte zu dieser Frage vergangene Woche eine öffentliche Konsultation durch, wobei trotz kurzer Frist von 48 Stunden rund 100 Stellungnahmen von Verbänden und kantonalen Behörden eingingen. Dabei wurde laut Keller-Sutter der notrechtliche Handlungsbedarf im Gesellschafts- und Insolvenzrecht fast einstimmig bejaht. Das auf diesen Stellungnahmen basierende Massnahmenpaket, das der Bundesrat voraussichtlich kommende Woche verabschieden wird, besteht vor allem aus zwei Instrumenten. Erstens sollen Unternehmen, die per Ende 2019 noch finanziell gesund waren, aufgrund der Corona-Krise aber mit einer Überschuldung ringen, mit der Konkursanmeldung zuwarten können. Dies unter der Voraussetzung, dass die finanziellen Probleme nach der Krise wohl behoben werden können. Derzeit sieht das Obligationenrecht vor, dass bei Vorliegen einer «begründeten Besorgnis einer Überschuldung» das Unternehmen zu Liquidationswerten zwingend eine Zwischenbilanz erstellen muss. In der Praxis führe dies fast immer dazu, so Keller-Sutter, dass eine Gesellschaft als konkursreif gelte. Die geplante notrechtliche Regelung will dies verhindern. Sie soll zudem sicherstellen, dass es über Liefer- und Kreditbeziehungen nicht zu einer Destabilisierung der Wirtschaft kommt. Konkret ist vorgesehen, dass Unternehmen bei drohender Überschuldung mit dem Deponieren der Bilanz zuwarten können. Dafür notwendig ist nicht nur die Aussicht auf eine Beendigung der Überschuldung nach der Corona-Krise. Die Erleichterung gilt auch nur bei Finanzproblemen, die eine direkte Folge der Corona-Krise sind. Wer also schon Ende 2019 mit einer wackligen Bilanz kämpfte, kann nicht auf einen Konkursaufschub hoffen. Spezielle Stundung für KMU Zweitens wird auch das Nachlassrecht leicht angepasst. Dabei zielt der Bundesrat vor allem auf kleinere und mittlere Unternehmen, für die das traditionelle Instrument der Nachlassstundung, wie es etwa bei der Swissair zur Anwendung kam, viel zu aufwendig und teuer ist. Neu soll es eine auf KMU zugeschnittene «Covid-19-Stundung» geben. Sie soll eine rasche und unbürokratische Stundung fälliger Schulden ermöglichen. Auch mit diesem befristeten Instrument, so Keller-Sutter, wolle man denjenigen Schuldnern, die nur aufgrund der Corona-Pandemie in Not geraten seien, mehr Zeit geben, um sich reorganisieren und sanieren zu können. Die beiden in den Grundzügen präsentierten Massnahmen müssen ihren Praxistest erst noch bestehen. Um Missbräuche zu verhindern, werden die Stundungen zwingend im Amtsblatt veröffentlicht, was für ein Unternehmen natürlich «etwas unangenehm» ist, wie Keller-Sutter meinte. Mit der Publikationspflicht soll aber verhindert werden, dass es allzu leichtfertig zu Stundungen kommt. Eine ähnliche Stossrichtung verfolgt auch der Verzicht auf sogenannte Notstundungen, wie sie im Gesetz bereits heute vorgesehen sind. Allfällige Gesuche seitens der Kantone würden daher abschlägig beantwortet, heisst es in Bern.