Hört auf mit der Angstmacherei Hinzugefügt am 8. Mai 2020 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag Tages-Anzeiger vom 5. Mai 2020 / Meinung von Claudia Blumer) Der mantramässige Hinweis auf Risiken bei der Rückkehr zum Normalbetrieb ist müssig – ja schädlich. Denn er schürt Angst. Und Angst ist Gift. Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard nannte das Schreckgespenst beim Namen. Zu Beginn des Lockdown war die Angst wohl noch hilfreich, um die Bürger auf die notwendigen Massnahmen einzuschwören. Deshalb habe man der Bevölkerung täglich die Corona-Toten vorgerechnet, ohne den erklärenden Kontext mitzuliefern, sagte der frühere Waadtländer Gesundheitsdirektor im Interview mit dieser Zeitung. Doch mittlerweile sei die Angst schädlich. Gift für die Wirtschaft. Es brauche eine rationale und weniger von Angst dominierte Kommunikation. Maillard hat recht. Seit der Bundesrat erstmals Öffnungsschritte in Aussicht gestellt hat, warnen Meinungsmacher vor den Risiken, die mit einer Öffnung einhergingen. Sie appellieren an die Gefahr eines neuerlichen Anstiegs der Infektionsrate und eines weiteren Lockdown. Nur: Dieses Risiko bestünde auch Monate später noch. Selbst wenn man warten würde, bis ein Impfstoff oder Medikament gegen Corona entwickelt ist (abgesehen davon, dass bis dahin nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das vom Steuersubstrat lebende Staatswesen kollabieren würde) – es gibt keine Gewissheit, dass ein Mittel wirkt oder dass sich das Virus nicht in veränderter Form erneut verbreitet. Die Verbreitung des Virus müsse zuerst gestoppt werden, bevor der Bundesrat die Massnahmen lockere, sagen Kommentatoren und Experten. Dabei führt uns gerade diese Pandemie vor, wie wenig wir die Welt beherrschen. Wie wenig wir ein Virus «stoppen» können. Jahrelang haben wir uns gegen Gefahren wie islamistische Attentate oder die Klimaerwärmung gewappnet. Nun lauert die Gefahr ganz woanders, und wir stehen ihr ziemlich machtlos gegenüber. Den durchschnittlichen Schweizer Bürger trifft diese Erfahrung besonders hart. Er ist es gewohnt, dass Gefahren kalkulierbar sind und man sich gegen sie versichern kann. Nicht zufällig ist das Versicherungswesen in der Schweiz eine profitable Branche. Sich abzusichern, ist ein verbreitetes Mittel gegen die Angst. Es nährt die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben. Deshalb war die Bevölkerung dankbar, als der Bundesrat Mitte März das Zepter übernahm und den Lockdown beschloss. Die Massnahmen waren aus heutiger Perspektive nötig und sinnvoll. Die Neuansteckungen gingen in der Folge zurück. Doch der Bundesrat hat mit dieser Notstandspolitik auch die Sehnsucht der Bevölkerung nach Sicherheit, nach einer wissenden Instanz, bedient. Gemäss einer Umfrage würde eine Mehrheit auch drastische Eingriffe in die Grundrechte befürworten. Mittlerweile hat sich der Ton seitens des Bundesrats und der Verwaltung geändert. Es schimmert ab und zu eine sympathische Unsicherheit und Orientierungslosigkeit durch, wenn die Behörden kommunizieren. Etwa, wenn bis heute nicht beantwortet wird, ob und wie Schutzmasken wirken. Oder wie ansteckend Kleinkinder sind. Oder wenn die zuständigen Bundesstellen bei Fragen zu Sicherheitskonzepten gleich an die Branchenverbände verweisen. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Dem Bürger wird so seine Mündigkeit wieder zurückgegeben. Warum sollte der Bundesangestellte besser wissen, wie der Kunde zu schützen ist? Er ist genauso überfordert wie der Filialleiter. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse – und nicht Einschätzungen oder Mutmassungen – sollen die Grundlagen sein, die unser soziales, politisches und wirtschaftliches Leben bestimmen. Ständig auf die Risiken einer Wiedereröffnung hinzuweisen, ist müssig. Genauso gut könnte man jede Meldung zum Strassenbau mit dem Hinweis auf das Risiko eines Verkehrsunfalls ergänzen. Ganz abgesehen davon, welche Risiken der Entscheid birgt, morgens überhaupt das Haus zu verlassen. Wir brauchen Mut und Zuversicht. Keine Hinweise auf Risiken. Diese sind nicht nur müssig, sondern auch schädlich. Sie schüren Angst. Und Angst ist Gift.
Die Verbreitung des Virus müsse zuerst gestoppt werden, bevor der Bundesrat die Massnahmen lockere, sagen Kommentatoren und Experten. Dabei führt uns gerade diese Pandemie vor, wie wenig wir die Welt beherrschen. Wie wenig wir ein Virus «stoppen» können. Jahrelang haben wir uns gegen Gefahren wie islamistische Attentate oder die Klimaerwärmung gewappnet. Nun lauert die Gefahr ganz woanders, und wir stehen ihr ziemlich machtlos gegenüber. Den durchschnittlichen Schweizer Bürger trifft diese Erfahrung besonders hart. Er ist es gewohnt, dass Gefahren kalkulierbar sind und man sich gegen sie versichern kann. Nicht zufällig ist das Versicherungswesen in der Schweiz eine profitable Branche. Sich abzusichern, ist ein verbreitetes Mittel gegen die Angst. Es nährt die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben. Deshalb war die Bevölkerung dankbar, als der Bundesrat Mitte März das Zepter übernahm und den Lockdown beschloss. Die Massnahmen waren aus heutiger Perspektive nötig und sinnvoll. Die Neuansteckungen gingen in der Folge zurück. Doch der Bundesrat hat mit dieser Notstandspolitik auch die Sehnsucht der Bevölkerung nach Sicherheit, nach einer wissenden Instanz, bedient. Gemäss einer Umfrage würde eine Mehrheit auch drastische Eingriffe in die Grundrechte befürworten. Mittlerweile hat sich der Ton seitens des Bundesrats und der Verwaltung geändert. Es schimmert ab und zu eine sympathische Unsicherheit und Orientierungslosigkeit durch, wenn die Behörden kommunizieren. Etwa, wenn bis heute nicht beantwortet wird, ob und wie Schutzmasken wirken. Oder wie ansteckend Kleinkinder sind. Oder wenn die zuständigen Bundesstellen bei Fragen zu Sicherheitskonzepten gleich an die Branchenverbände verweisen. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Dem Bürger wird so seine Mündigkeit wieder zurückgegeben. Warum sollte der Bundesangestellte besser wissen, wie der Kunde zu schützen ist? Er ist genauso überfordert wie der Filialleiter. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse – und nicht Einschätzungen oder Mutmassungen – sollen die Grundlagen sein, die unser soziales, politisches und wirtschaftliches Leben bestimmen. Ständig auf die Risiken einer Wiedereröffnung hinzuweisen, ist müssig. Genauso gut könnte man jede Meldung zum Strassenbau mit dem Hinweis auf das Risiko eines Verkehrsunfalls ergänzen. Ganz abgesehen davon, welche Risiken der Entscheid birgt, morgens überhaupt das Haus zu verlassen. Wir brauchen Mut und Zuversicht. Keine Hinweise auf Risiken. Diese sind nicht nur müssig, sondern auch schädlich. Sie schüren Angst. Und Angst ist Gift.