Konkurswelle rollt auf Schweizer Firmen zu Hinzugefügt am 13. April 2020 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug NZZ am Sonntag vom 12. April 2020 / von Franziska Pfister) Corona wird die Firmenlandschaft umkrempeln. KMU droht die Zahlungsunfähigkeit, Grossbetriebe stehen vor Notverkäufen. Drei Unternehmer schildern den täglichen Existenzkampf. Die Schweiz hat den Schalter umgelegt. Jede und jeder Dritte Beschäftigte hat in Woche vier des Shutdown in den Modus der Kurzarbeit gewechselt. Wer dieser Tage mit Patrons und Managern spricht, hört viel Lob für die Notprogramme des Bundes, spürt aber auch Bedrückung, Hilflosigkeit und Zukunftsangst: Die Hilfe reicht nicht, sagen sie. Erste Betriebe haben begonnen, Mitarbeiter zu entlassen – weil finanzielle Reserven fehlen oder sie sich auf eine lange Krise einstellen. Jeden Werktag melden sich 1900 Personen arbeitslos, der Bundesrat rechnet mit einer Arbeitslosenquote von bis zu 7 %. Vorderhand traf es Menschen, die in Restaurants, auf dem Bau, im Handel oder in der Kreativwirtschaft angestellt waren. Die Wahrscheinlichkeit von Insolvenzen sei in den nächsten zwölf Monaten so hoch wie nie zuvor. «Wir werden in der Schweiz einen Shake-out erleben, der brutal wird und nicht nur KMU trifft», sagt der Kreditexperte John Feigl, dessen Firma Pilfor andere Unternehmen in Finanzierungsfragen berät. Eine Überlebenschance hätten nur Betriebe, die rasch Kosten senken könnten und über liquide Mittel für mehrere Monate verfügten. Corona macht Schwächen in der Wirtschaft sichtbar, die bis vor kurzem von einer robusten Nachfrage überdeckt waren. Eine besonders harte Schliessungswelle rollt auf Gastronomie und Hotellerie zu. Experten prognostizieren sie seit Jahren, aber sie blieb aus. Die Zahl der Restaurants ist über die letzten fünf Jahre gar leicht gestiegen. Fachleute schätzen, dass 60% der Schweizer Restaurants schon vor der Pandemie rote Zahlen schrieben. Eine halbe Million KMU zählt die Schweiz, sie gelten als Rückgrat der Wirtschaft. Doch auch in Teilen der Industrie ist die Ertragslage prekär. Es ist paradox: Hinter der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie liegen Boomjahre, noch 2018 wuchs der Bestellungseingang zweistellig. Und doch gelang es einem Teil der Betriebe nicht, die Kapitalkosten zu erwirtschaften. Ein Viertel kam in den fetten Jahren auf eine operative Gewinnmarge von weniger als 5 % des Umsatzes. Jeder zehnte Betrieb schrieb gar Verlust, ergab 2019 eine Umfrage des Branchenverbands Swissmem. In den letzten Monaten flaute das Geschäft im Maschinenbau ab. Die Nachfrage lasse seit Mitte 2019 nach, sagt Daniel Arn, Unternehmer und Vizepräsident des Verbands Swissmechanic. Seine Befürchtung: Sogar wenn die Autoindustrie die Bänder im Sommer wieder anstellen sollte, wird sie noch geraume Zeit grössere Investitionen scheuen. Bis wieder Aufträge hereinkommen, könnte es für manchen Zulieferer zu spät sein. Jedes zweite KMU hatte vor der Corona-Krise einen Bankkredit, sagt der Chef von UBS Schweiz, Axel Lehmann. Nicht nur sein Institut wird mit Kreditanträgen überrannt. Den Banken kommt nun eine grosse Verantwortung zu. Da sie bei Krediten von mehr als einer halben Million 15% des Ausfallrisikos tragen, dürfen sie gemäss der Verordnung des Bundes einen Teil des geliehenen Gelds vor Ablauf von fünf Jahren zurückfordern oder die Kreditlinie reduzieren. Patrons bangen nun, dass ihnen der Kredithahn zugedreht werden könnte. Nicht dieses Jahr, aber vielleicht 2021. Grossunternehmen sind weniger von Bankkrediten abhängig. Viele nutzten die tiefen Zinsen, um sich günstig am Kapitalmarkt zu finanzieren. Bis Ende Jahr werden jedoch Firmenanleihen von rund 5 Mrd. Fr. fällig, schätzt John Feigl, der bis 2018 die Schweizer Abteilung Debt & Rating Advisory des Beratungskonzerns Deloitte geleitet hat. Neue zu emittieren, werde nur Schuldnern mit guter Bonität gelingen. Und auch sie müssten sich darauf einstellen, mehr Zins zu bezahlen, und massiv kürzere Laufzeiten hinnehmen. Wer es in ertragsstarken Jahren versäumt habe, die Bilanz zu stärken, habe es jetzt schwer. Die Verschuldung kümmerte Investoren bisher wenig. «Geld war dank den Zentralbanken im Übermass, jederzeit und fast umsonst verfügbar», kritisiert Feigl. Er rechnet mit einer Schockwelle am Fremdkapitalmarkt. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat letzten Monat fast 800 Firmen zurückgestuft oder den Ausblick reduziert – so viele wie noch nie zuvor in 30 Tagen. «Sobald der Obligationenmarkt nachgibt, brechen auch die Aktienmärkte erneut ein», sagt Feigl. Für KMU geht es derweil darum, zahlungsfähig zu bleiben. Drei Unternehmer aus verschiedenen Branchen schildern den täglichen Kampf um die Existenz: was ihnen hilft, welche Nöte sie plagen und was sich in der Zeit nach Corona für ihr Geschäft ändern könnte. Weiterlesen. Zu den Unternehmern: 1. Sanitär Maroni-Rilav. Andrea Maroni, Mendrisio / 2. Burgerkette Holy Cow. Adrian Stadelmann, Lausanne / 3. Nagelstudio Nail Bar. Florence Stumpe, Lausanne.