«Menschen verschulden sich, um essen zu können» Hinzugefügt am 8. August 2023 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag 20 Minuten vom 30. Juli 2023 / von Letizia Vecchio, Fabian Pöschl) Die Kosten für Lebensmittel sind in den vergangenen drei Jahren massiv angestiegen, selbst im Billigpreis-Segment. Das trifft die Geringverdiener besonders hart. Betreibungen nehmen zu. Eines vorweg: In der Schweiz ist die Inflation im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern auf einem relativ geringen Niveau: Laut Statista.com lag sie im Juni 2023 bei 1,8 Prozent, im Nachbarland Deutschland bei 6,8 Prozent, in Österreich bei sogar 7,8 Prozent. Aber auch wenn die Gesamtinflation auf einem sehr niedrigen Niveau ist (nur in Belgien, Spanien und Luxemburg ist sie noch geringer), so gibt es einige Bereiche, in denen sie trotzdem richtig «reinhaut»: Und das ausgerechnet bei Dingen, die man zum Leben zwingend braucht – wie schon im Wort enthalten: Lebensmittel. Massiver Anstieg bei einzelnen Produkten Der «SonntagsBlick» sprach mit dem Onlinevergleichsdienst Comparis über die Teuerungen bei Nahrungsmitteln. Je nach Produkt sind die Preisanstiege im Zeitraum von Juni 2021 bis Juni 2023 massiv: Am stärksten ist der Anstieg bei Margarine, Speisefetten und -ölen. Hier betragen sie 22,2 Prozent. Bei Butter sind es 15, bei Bier 14 Prozent. Die Preise für Milch, Eier und Käse sind um 10,2 Prozent gestiegen. Insgesamt liegt die Teuerung für Lebensmittel bei 5,2 Prozent. Die Preissteigerungen sind aber oftmals gar nicht nötig, um bei den Unternehmen die Mehrkosten zu decken. Vielmehr bereichern sich viele Firmen an der Teuerung. Die Umsätze der Detailhändler stiegen im Juni um 3,7 Prozent. «Immer mehr bezahlen Nahrungsmittel mit Kreditkarte» Was mehr als ironisch anmutet: Die Detailhändler Coop und Migros haben bei ihren Billiglinien wie M-Budget und Prix Garantie die Preise um teilweise über 20 Prozent steigen lassen – von Preis-Garantie kann da keine Rede mehr sein. «Damit steigern sie die Marge auf Kosten der Ärmsten», sagt Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei der Caritas. Eine andere Entwicklung bereite ihr aber ebenfalls Sorgen: «Immer mehr Menschen, die bei uns in die Beratung kommen, bezahlen ihre Nahrungsmittel mit Kreditkarten. Sie haben nicht genug im Portemonnaie. Sie verschulden sich, um essen zu können.» Betreibungen nehmen zu Dass die Teuerungen nicht spurlos an den Menschen vorbeigehen, zeigt sich auch an einem deutlichen Anstieg bei den Betreibungen: Private Betreibungsfälle in Luzern sind im ersten Halbjahr 2023 um 20 Prozent gestiegen, in Chur um 17 Prozent, in Zürich um 9,5 Prozent. Das ergab eine Umfrage des SoBli bei den städtischen Betreibungsämtern. «Wir haben besonders im Juni und Anfang Juli einen starken Anstieg von Betreibungsfällen registriert», sagt Oliver Pfitzenmayer, Leiter des Betreibungsamts Winterthur-Stadt. Man rechne allerdings noch mit einer deutlichen Verschärfung gegen Ende des Jahres – denn Inkasso-Prozesse würden dauern. Die Folgen der Inflation seien dann erst zeitverzögert bemerkbar.