Querulanten machen Zürcher Ämtern das Leben schwer Hinzugefügt am 19. Januar 2023 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszüge bluewin.ch, watscn.ch, tages-anzeiger und nau.ch vom Januar 2023) Sie glauben nicht an den souveränen Staat, stattdessen regiert eine Firma das Land: Die sogenannte Reichsbürger-Ideologie ist auch in der Schweiz ein Thema. Bei Zürcher Ämtern ist das Problem bekannt. Die Verschwörungstheoretiker werden eine immer grössere Belastung für die Zürcher Behörden. Die Schweiz ist eine Firma. Sie führt doppelte Buchhaltung und zieht so dem Volk das Geld aus der Tasche. Was im ersten Moment wirr klingt, ist Teil einer Verschwörungstheorie. Bürgerinnen und Bürger, die daran glauben, machen unter anderem Statthaltern offenbar vermehrt das Leben schwer. Ein Beispiel zeigt einen Fall aus dem Bezirk Pfäffikon im Kanton Zürich. Ein Mann hat seinen Vorladungstermin Ende November illegal aufgezeichnet und auf seinen Telegram-Kanal gestellt. Vorgeladen wurde er, weil er bei einem Pfändungstermin nicht erschienen war. Auf dem Amt wollte sich der Mann weder ausweisen noch Auskünfte über sein Vermögen erteilen. Auch auf die Fragen des Statthalters wollte er nicht eingehen. Wie der «Tagesanzeiger» schreibt, hat der Mann alle Briefe, die er vom Statthalter bekommen hat, ungeöffnet und mit vorgefertigter Etikette zurückgeschickt. Das mache er seit eineinhalb Jahren so. Grund sei, dass sein Vor- und Nachname nicht in korrekter Reihenfolge aufgeführt seien. Ausserdem seien die Ämter nichts als Firmen. Als korrekte Reihenfolge des Namens auf Couverts gilt in Verschwörungskreisen, dass der Nachname, getrennt durch ein Komma vom Vornamen, zuerst geschrieben wird. Andere Schreibweisen sehen sie als Beweis dafür, dass die Firma eine doppelte Buchhaltung führe und das Volk abzocke. Verschwörungstheorien finden seit Pandemie mehr Gehör Dass der Staat eine Firma ist, ist eine beliebte Verschwörungstheorie bei Reichsbürgern. Demnach haben die Behörden keine Grundlage, um Bürgerinnen und Bürger einzuvernehmen. Jerome Endrass, stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug, forscht zum Thema Radikalisierung. Verschwörungsideologien, die in der Schweiz auftreten, hätten viele Parallelen mit denen von deutschen Reichsbürgern, sagt er im «Tagesanzeiger». Dazu gehört die gestützte radikal staatsablehnende Haltung, auch wenn der Mythos des Deutschen Reichs hierzulande fehle. Auch wenn die Zahl der Personen, die in der Schweiz reichsbürgerähnliche Ideologien vertreten, sehr klein sei, sei die Anhängerschaft gerade in den Pandemiejahren gewachsen. Es handle sich um ein loses Netzwerk, das sich vor allem in den sozialen Medien vernetze, sagt Endrass. So wie der Mann aus dem Bezirk Pfäffikon, der die Aufnahme des Gesprächs mit dem Statthalter auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht hat. Mehrere Hundert Personen folgen ihm dort. Der Statthalter, der im Gespräch zu hören ist, arbeitet seit Ende des letzten Jahres nicht mehr in dieser Funktion. Im «Tagesanzeiger» sagt er rückblickend, er habe fast wöchentlich mit solchen Fällen zu tun gehabt. Er habe mit der Zeit rasch gemerkt, wenn er es mit Leuten aus der Reichsbürger-Szene zu tun gehabt habe. Häufig hätten diese beispielsweise argumentiert, sie hätten keinen Vertrag mit der Gemeinde… Auch die Zürcher Justiz ist sich des Phänomens bewusst. Laut der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) zeige die Erfahrung vieler Behörden, dass sie es zunehmend mit Menschen zu tun hätten, die den Staat fundamental ablehnen. Problematisch werde es, wenn daraus eine grundsätzliche Ablehnung staatlicher Autorität entstehe. Das Phänomen, dass gewisse Bürgerinnen und Bürger den Staat als Firma bezeichnen und diesen auch so behandeln, bekamen beispielsweise die Bezirksgerichte Dielsdorf, Horgen und Dietikon zu spüren. Unbekannte änderten ihren Namen auf Google in «Bezirksgericht AG». Wie das umgesetzt worden ist, wissen die Gerichte nicht. Auch wenn Verschwörungstheoretikerinnen und Theoretiker nicht gleicher Meinung wie der Staat, «die Firma», sind: Konsequenzen haben ihre Handlungen allemal. Für unbezahlte Bussen oder Pfändungsverweigerung drohen Haftstrafen. Der Mann, der sich im Bezirk Pfäffikon querstellt, muss mit einer weiteren Strafe rechnen: Gegen ihn ist eine Anzeige hängig, weil er das Gespräch mit dem Statthalter illegal aufgezeichnet hat. „Es ist kein Massenphänomen, aber sehr mühsam für unsere Mitarbeitenden“ Yves de Mestral, Präsident der Zürcher Konferenz der Stadtammänner Auseinandersetzungen mit reichsbürgerähnlichen Querulanten nehmen nicht nur in Deutschland zu, sondern auch in der Schweiz, wie eine Recherche des Tages-Anzeiger offenlegte. «Mit Militär zu drohen, ist genau der Stil, den wir auch kennen», sagt Yves De Mestral, Präsident der Konferenz der Stadtammänner und Stadtamtsfrauen in Zürich sowie Chef des Stadtammannamts und Betreibungsamts Zürich 3. Seit Corona hätten diese Vorfälle zugenommen. Wenn Staatsleugner und Querulanten Besuch von Beamten bekommen, filmen sie diese mit ihren Smartphones und laden alles sofort ins Internet. … In ihren Augen seien die Schweizer Behörden Firmen und die Ämter verfolgten einen Geheimplan. Im Netz kursieren Veranstaltungstipps und vorgefertigte Formulare, um verschiedenste Einsprachen auf den Ämtern zu vereinfachen. So wird etwa empfohlen, auf eine bestimmte Schreibweise des Namens zu pochen. Experten des Zürcher Justizvollzugs erklären, dass die in der Schweiz auftretende Verschwörungsideologie jener der deutschen Reichsbürger nahekomme. Besonders stark sei die Ähnlichkeit bezüglich der durch Verschwörungstheorien gestützte radikal ablehnende Staatshaltung. Der Mythos des Deutschen Reichs hingegen fehle hierzulande. Insbesondere in den Pandemiejahren habe sich die Zahl der Anhänger dieser Ideologie vervielfacht. Gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagt Jerome Endrass, stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug: «Es handelt sich um ein loses Netzwerk, das sich vorwiegend in sozialen Medien vernetzt. Für viele ist die Ideologie identitätsstiftend.» … Jacqueline Fehr, die Justizdirektorin des Kantons Zürich, sagt, man habe die Verschwörungstheoretiker auf dem Schirm. Natürlich dürfe man sich auf demokratischem Weg gegen staatliche Massnahmen, wie sie etwa von Statthalterämtern durchgeführt werden, wehren, es sei aber problematisch, wenn daraus eine grundlegend antistaatliche Haltung wird. „Wir müssen rasch und entschieden gegen solche Entwicklungen antreten“ Jaqueline Fehr, Regierungsrätin Kanton Zürich Auch Jerome Endrass, stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug, beobachtet die Entwicklungen. Für ihn ist klar, dass die in der Schweiz auftretende Verschwörungsideologie viele Ähnlichkeiten mit den deutschen Reichsbürgern habe. Insbesondere die durch Verschwörungstheorien gestützte radikal staatsablehnende Haltung. Der Mythos des Deutschen Reichs fehlt laut Endrass aber hierzulande, wie er dem Tagesanzeiger sagt. Zwar sind die Verhältnisse und auch das Ausmass der Situation hierzulande nicht mit Deutschland zu vergleichen, bedenklich seien die Entwicklungen schon: «Eine staatsablehnende Ideologie muss nicht per se gewalttätig sein, deren Verbreitung legt aber den Boden für extremistische Handlungen.» Der Schritt zur Gewalttat sei kleiner, wenn die Ablehnung des Staates zum Konsens gehöre.