Beleidigungen, Drohungen, Gewalt! Hinzugefügt am 14. Juli 2020 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Blick vom 14. Juli 2020 / von Flavio Razzino) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) steht immer wieder in der Kritik. Das trifft die Frauen und Männer an der Front der Sozialen Dienste, die mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Jetzt sprechen sie mit BLICK über ihren brutalen Job. Es begann alles so harmlos. Der nigerianische Sozialhilfebezüger Kofi F.* will Ende Mai vom Sozialdienst der Stadt Lenzburg AG 180 Franken zurückerstattet haben. Er hatte die Rechnung für den Spielgruppenbesuch seiner Kinder bezahlt, das wird ihm nun wieder gutgeschrieben. Bloss: F. will das Geld sofort – und fordert das in harschem Ton via E-Mail (liegt BLICK vor) ein. Der für ihn zuständige Mitarbeiter der Sozialen Dienste teilt ihm daraufhin mit, dass Überweisungen erst in fünf Tagen getätigt werden. Aber ein Lösungsvorschlag: Er könne das Geld problemlos noch am gleichen Tag beim Schalter abholen kommen, wenn er es denn sofort brauche. Alles klar? Nicht für Kofi F.! Er will das Geld sofort überwiesen haben – und verliert die Nerven: «Schliesslich brauchen wir die 180 Franken heute (…) Sie legen lediglich Dummheit, Hass, Unprofessionalität und vor allem Rassismus an den Tag! Und die ganze Welt wird Sie auch so wahrnehmen!» Gegenüber BLICK erklärt F. den Wutausbruch damit, dass Lenzburg immer wieder Leistungen für seine Kinder nicht zahlen wolle. Er bekommt monatlich rund 4000 Franken Sozialhilfe. Der Mitarbeiter versucht daraufhin, zu deeskalieren. Erfolglos. Am Ende schreitet der Leiter der Sozialen Dienste, Michael Gruber, ein – und droht Kofi F. wegen seiner wüsten Beleidigungen mit rechtlichen Massnahmen. Es sind Szenen wie diese, die in den Sozialen Diensten in den Gemeinden der Schweiz täglich vorkommen. Und die von den Mitarbeitern an der Front ausgehalten werden müssen. Diese Menschen sind in einer Notlage Und sie kriegen alles ab, wie Michael Gruber von den Sozialen Diensten Lenzburg sagt. Beschimpfungen, Drohungen, ja sogar tätliche Angriffe. Er weiss: «Es gehört zum Job eines Mitarbeiters der Sozialen Dienste, damit umgehen zu können.» Denn man dürfe nicht vergessen, dass Menschen, die Sozialhilfe benötigten, immer in einer absoluten Notlage seien. «Da brauchte es manchmal wenig bis zu einer Eskalation, weil sich bei diesen Menschen viel Frust anstaut. Sie haben im Alltag hart zu kämpfen und sind stark eingeschränkt in vielem, was sie tun möchten», so Gruber. Mit dem Resultat, dass sich die Mitarbeiter mitunter gar schützen müssen. «Bei schwierigen Gesprächen lassen Teamkollegen die Türen ihrer Büros offen, damit sie notfalls helfen könnten, wenn die Sache eskaliert», sagt Gruber. Auf den Besprechungstischen gibt es zudem einen Alarmknopf, den Mitarbeiter drücken können, wenn es gefährlich wird. Und notfalls kommt die Polizei… … Kein Wunder: Die Kesb ist für viele Menschen ein Reizwort. Die Behörde, die 2013 eingesetzt wurde und die früheren Vormundschaftsbehörden abgelöst hat, löst bei einigen Menschen Angst aus. Davon kriegen auch die Berufsbeistände etwas ab. «Wir werden auch mal angeschrien, beleidigt oder bedroht – da ist man dann froh, hat man ein Team hinter sich, um damit umgehen zu können», sagt Helen Heim. Nebst den Anfeindungen gibt es aber auch noch eine hohe Fallbelastung, die den Mitarbeitern zusetzt. Priska Brenner betreut derzeit rund 75 Menschen, davon ist sie bei 44 in mehr oder weniger grossem Umfang die Beiständin. «Nicht alle Mandate, die ich betreue, sind gleich aufwendig – trotzdem ist die Arbeitsbelastung so gross, dass ich manchmal wirklich an meine Grenzen komme.» Etwas, mit dem auch Michael Gruber von den Sozialen Diensten in Lenzburg kämpft. «Wie überall haben auch wir enorm Mühe, genügend Mitarbeiter für diese Aufgaben zu finden. Die Arbeitsbelastung ist extrem hoch – hier in Lenzburg rechnet man mit 80 Dossiers pro 100-Prozent-Stelle – und die Bezahlung widerspiegelt nicht die Komplexität und Schwierigkeit des Berufs», sagt er. Ein Beweis dafür, dass die Bedingungen in diesem Job nicht gut sind, ist die enorm hohe Fluktuation in diesem Bereich. Und die Belastung wird wohl noch zunehmen, wie Gruber mit Blick auf die Corona-Krise sagt. «Wir erwarten Ende nächsten Jahres wesentlich mehr Fälle für die Sozialhilfe», sagt er. Weiterlesen.