Betreibungsämter am Anschlag Hinzugefügt am 6. März 2024 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag Zürichsee-Zeitung vom 6. März 2024 / von Luzia Nyffeler – mit freundlicher Genehmigung der Redaktion zur Verfügung gestellt) Das Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon verzeichnete 2023 einen Rekord an Fällen. Im ganzen Kanton haben die Betreibungsämter viel zu tun. Und die Situation spitzt sich weiter zu. Jährlich steigen die Krankenkassenprämien, Lebensmittel werden teurer und viele Mieterinnen und Mieter mussten innert kurzer Zeit zwei Mietzinserhöhungen hinnehmen. Für immer mehr Leute stellt sich da die Frage, wie sie ihre Rechnungen noch bezahlen sollen. Denn können sie es nicht, flattert früher oder später eine Betreibung ins Haus. Im letzten Jahr trat dieser Fall im Kanton Zürich häufiger ein. So teilte die Gemeinde Zollikon kürzlich mit, dass das Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon im vergangenen Jahr gut 15 Prozent mehr Betreibungen verzeichnete als 2022. In absoluten Zahlen ausgedrückt stellte das Amt 5429 Zahlungsbefehle aus. Die meisten betrafen ausstehende Steuern oder Krankenkassenprämien. Pfändungen, Konkursandrohungen und Betreibungsregisterauskünfte mitgezählt, bewältigte die Behörde im vergangenen Jahr gar etwas mehr als 19’700 Fälle. Das ist Rekord. Und: Die Tendenz ist weiter steigend. Nachwehen der Pandemie Das Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon ist kein Einzelfall. Alle 57 Betreibungsämter im Kanton Zürich meldeten im vergangenen Jahr eine Zunahme an Betreibungen. Insgesamt betrug der Anstieg im Vergleich zu 2022 gut 10 Prozent, wie die Statistik des kantonalen Betreibungsinspektorats zeigt. Für Thomas Winkler, Präsident des Verbands der Gemeindeammänner und Betreibungsbeamten des Kantons Zürich (VGBZ), ist klar, worauf dieser Anstieg zurückzuführen ist: «Es sind Nachwehen der Corona-Pandemie.» Während der Pandemie hätten verschiedene Massnahmen die Betreibungszahlen einbrechen lassen. So seien Steuerbetreibungen ausgesetzt worden. Auf privater Seite habe es Teilerlasse gegeben, zum Beispiel für Geschäftsmieten. «Die Betreibungszahlen sanken auf das Niveau von 2010.» Die Statistik verdeutlicht dies. 2019, im Jahr vor der Corona-Pandemie, wurden knapp 450’000 Betreibungen gemeldet. Ein Jahr später lag die Zahl knapp 15 Prozent tiefer. «Seither hat sie sich zwar erholt. Aber langsamer als gedacht», sagt Winkler. Noch bewegen sich die Betreibungszahlen nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau. Thomas Winkler geht davon aus, dass diese Corona-Nachwehen auch dieses Jahr noch andauern, allerdings nicht mehr so stark. «Es wird mehr hinterfragt» Die Zunahme der Betreibungen stellt die Ämter jedoch weniger vor Probleme als die Tatsache, dass die Fälle zunehmend komplexer und zeitaufwendiger werden. Dies zeige sich beispielsweise darin, dass die Kunden anspruchsvoller geworden seien, erklärt der Leiter des Betreibungsamts Küsnacht-Zollikon-Zumikon, Rolf Leuenberger. «Die Leute lassen sich immer öfter rechtlich vertreten, was eine pragmatische Lösungsfindung erschwert.» Hinzu kämen komplexe Familienmodelle, die beispielsweise das Berechnen des Existenzminimums verkomplizierten. Auch Verbandspräsident Thomas Winkler beschreibt die Kunden als anspruchsvoller und meint damit: kritischer. «Seit Corona wird mehr hinterfragt.» Es brauche mehr Briefe, mehr Telefonate, bis die Leute auf das Amt kämen. Oft werde auch gefragt, ob nicht doch noch ein Aufschub gewährt werden könne. «Dann müssen wir erklären, wieso das nicht geht.» Das alles brauche Zeit. Zugleich habe der Respekt vor den Behörden weiter abgenommen, erzählt Winkler. «Die Kunden werden frecher, beleidigen und bedrohen Mitarbeiter.» Dabei handle es sich nicht nur um Staatsverweigerer. Schwierige Personalsuche Damit die Verfahren trotz dieser zunehmenden Komplexität fach- und termingerecht bearbeitet werden können, braucht es genügend Ressourcen. Im Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon reichen diese nun nicht mehr. Deshalb hat der Zolliker Gemeinderat einer Aufstockung des Personals um 140 Stellenprozente auf 740 Stelleneinheiten zugestimmt. Doch dieses Personal zu finden, stellt je länger, je mehr eine Herausforderung dar. «Auch die Betreibungsämter sind vom Fachkräftemangel betroffen», sagt Winkler. Während Corona hätten viele die Branche gewechselt. Aktuelle Stelleninserate blieben daher oft lange offen. Aufwand steigt wegen Prämien Es ist also bereits jetzt zum Teil schwierig, den Aufwand zu bewältigen. Dieser wird ab Juli weiter zunehmen. Dann tritt eine Gesetzesänderung für die Krankenkassenprämien in Kraft. Die Änderung verpflichtet die Betreibungsämter, auf Verlangen des Schuldners die ausstehenden Prämien direkt vom gepfändeten Lohn zu bezahlen. Das sei zwar für die Schuldner eine Entlastung, sagt Winkler. Diese könnten den Antrag stellen, dass das Amt die Zahlungen übernimmt, und müssten sich danach – je nach Praxis des zuständigen Amtes – nicht mehr darum kümmern. Doch für die Beamten heisst dies, dass sie monatlich den Rechnungen für die Prämien nachrennen müssen. Gleichzeitig dürfte die Inflation die Zahl der Betreibungen weiter steigen lassen, was für die Ämter noch mehr Arbeit bedeutet. Eine Entlastung ist so bald also nicht in Sicht. Thomas Winkler, Präsident VGBZ