Ärztin erhält aufgrund „abenteuerlich wirklichkeitswidriger Einschätzung“ Steuern zurück Hinzugefügt am 7. August 2017 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug NZZ vom 4. August 2017 / von Irène Troxler) Eine Ärztin wurde von den Steuerbehörden mit immer höheren Einschätzungen in den Ruin getrieben. Das Bundesgericht rügt nun die Praxis als krass willkürlich – vor allem, weil zur Begleichung der Steuerrechnungen ihr Lohn gepfändet wurde. Die heute pensionierte Anästhesieärztin aus Männedorf war jahrelang depressiv und offenbar nicht in der Lage, ihre Steuererklärung einzureichen. So nahm zunächst das Steueramt des Kantons und später jenes der Gemeinde eine amtliche Einschätzung vor, die Jahr für Jahr höher wurde. 2009 beispielsweise basierte die Steuerrechnung auf einem Einkommen von 750 000 Franken, während die Frau lediglich 250 000 Franken verdiente. Damit trieben die Behörden sie buchstäblich in den Ruin. Das Bundesgericht gibt in einem vom „Beobachter“ publik gemachten Urteil nun der Forderung der Ärztin weitgehend nach und erklärt die Steuereinschätzungen der Jahre 2006 bis 2012 für nichtig. Zwar seien die Steuerbehörden verpflichtet, eine Einschätzung vorzunehmen, wenn jemand keine Steuererklärung einreiche, schreiben die Richter aus Lausanne. Auch dass diese Taxation zu hoch ausfallen könne, liege in der Natur einer Schätzung. Allerdings dürfe die Veranlagung nicht aus fiskalischen Motiven oder zur Bestrafung des Steuerpflichtigen zu seinem Nachteil angelegt sein. Das Bundesgericht erklärt aber nicht alle überhöhten Einschätzungen der Ärztin für nichtig, sondern nur jene, die erfolgten, nachdem ihr Lohn gepfändet worden war. Im Dezember 2006 habe die Veranlagungsbehörde eine Kopie der Pfändungsunterlagen erhalten. Damals hätten den Behörden klar werden müssen, dass die Frau nicht mehr in der Lage war, die „auf immer abenteuerlicheren, wirklichkeitswidrigen Einschätzungen beruhenden (…) Steuerforderungen zu begleichen“, schreibt das Gericht… Generell sei die Behörde verpflichtet, zusätzliche Abklärungen vorzunehmen, wenn die geschätzten Einkünfte Jahr für Jahr systematisch und massiv erhöht würden, hält das Gericht fest. Beispielsweise sei es zumutbar, von einem bekannten Arbeitgeber einen Lohnausweis einzufordern. Das Bundesgericht auferlegt die Gerichtskosten vollumfänglich dem Kanton Zürich. Die Ärztin muss für die Jahre 2006 bis 2012 neu eingeschätzt werden und dürfte Hunderttausende Franken zurückerhalten. Die Einschätzungen der Jahre 2004 und 2005 hingegen haben Bestand. Zu diesem Zeitpunkt war der Lohn der Frau noch nicht gepfändet. Weiterlesen. (Textauszug Schweizer Beobachter vom 2. August 2017 / von Peter Johannes Meier) Bundesgericht stoppt Zürcher Steuerabzocke … Das Urteil geht hart ins Gericht mit dem Zürcher Steueramt: „Es hat jahrelang und in immer unerträglicherem Ausmass seine Untersuchungspflicht verletzt“. Das Ergebnis seien „falsche und willkürliche Einschätzungen“, die es „wieder besseren Wissens“ vorgenommen habe. Spätestens nach der ersten Lohnpfändung hätte es dem Steueramt klar sein müssen, dass sich seine Einschätzungen fern der realen Einkommen bewegen und dass die Ärztin ausschliesslich wegen der Steuerforderungen überschuldet war. „Das Steueramt lief diesem verfügbaren Wissen in einem derart krassen Ausmass entgegen, dass es als Ausdruck einer durch nichts zu rechtfertigenden Willkür zu bezeichnen ist“, erkennt das Bundesgericht… … Das jetzt erstrittene Urteil wird Folgen für die gesamte Einschätzungspraxis haben. „Wir sind bereits daran, unsere Richtlinien für Ermessenseinschätzungen zu überarbeiten. Das Urteil wird hier sicher einfliessen“, sagt Roger Keller, Sprecher der Zürcher Finanzdirektion. Die Richtlinien sollen regeln, bei welcher Art von Hinweisen die Steuerbehörde zusätzliche Abklärungen vornehmen müssen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden. Solche Indizien könnten wiederholte Lohnpfändungen oder das Begleichen von Steuerschulden durch das Betreibungsamt sein. Auch der Hinweis auf gesundheitliche Einschränkungen könnte vertiefte Abklärungen nach sich ziehen. Weiterlesen.