Das Unheil begann mit einem Sportwagen Hinzugefügt am 10. August 2017 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug aus einer ausführlichen Reportage im Tages-Anzeiger/Newsnet vom 10. August 2017 / von Beat Metzler) Sich Geld zu leihen, ist der dümmste Weg, um reich zu werden. Oft führt er direkt in die Armut. Am Anfang steht die Versuchung: Ferien auf den Malediven, neue Kleider, ein grosser Fernseher, dieses tolle Ledersofa. Geblendet vom Wunsch nach ein bisschen Luxus, besorgt man sich Geld, das man nicht hat. Und schon schnappt sie zu, die Schuldenfalle, in der man eine Ewigkeit zappeln wird. Über zehn Jahre brauchte Marco Fuhrer (Name geändert), bis er sich wieder freigekauft hatte. Das Unheil begann mit einem Sportwagen, Occasion, nur wenige Kilometer auf dem Tacho. „Kaum eingefahren“, sagt Fuhrer. Der Preis: gut 30 000 Franken. „Ich bin Autofan, ich wollte den“. Die Werbung heizt solche Sehnsüchte an. Spots und Plakate von Kleinkreditfirmen verkünden die frohe Botschaft: „Du kannst alles haben. Sofort.“ Fuhrer war 23-jährig damals, verdiente deutlich weniger als 5000 Franken, wohnte noch bei den Eltern. Am Auto baumelte ein Zettel, der eine Zahlung auf Raten anbot. 400 Franken im Monat, stand dort, 6 Jahre lang. „Im Vertrag waren es plötzlich 600 Franken. Egal. Aus das klang machbar“, sagt Fuhrer. Er unterschrieb – ohne den Vertrag richtig gelesen zu haben. „Das ist typisch“, sagt Katharina Blessing, Co-Direktorin der Zürcher Schuldenberatung. „Viele, die einen Kredit nehmen, beachten die Geschäftsbedingungen kaum.“ Sie wüssten wie viel Geld sie bekommen und wie viel sie jeden Monat abliefern müssen. „Die Gesamtkosten des Kredits aber verdrängen sie. Man will das gar nicht genau wissen. Zu stark lockt der Wunsch.“ Das führt zu brutalen Überraschungen. Fuhrer rechnete damit, seinen Kredit nach sechs Jahren abbezahlt zu haben. Seit er von den Eltern weggezogen war, drückte die Miete zusätzlich aufs Budget. Der Kontostand sackte unter null, bevor der Monat fertig war. Wegen Zahnarztrechnungen hatte Fuhrer den Kreidt noch einmal erhöhen müssen. Umso stärker bangte er dem Ende der Autoraten entgegen. Doch kurz vorher machte ihn die Bank darauf aufmerksam, dass er mit den 600 Franken fast nur Zinsen abgetragen habe. Nun wartete ein Betrag von über 40 000 Franken auf ihn. Auf einmal zu zahlen. Durch eine längere Laufzeit und tiefere Monatsraten erhöht sich der Gesamtbetrag des Kredits. Das würden viele nicht begreifen, sagt Blessing. „Sie staunen, dass die Bank so nett ist und ihnen die Monatsrate senkt. Dabei macht diese ein tolles Geschäft.“ Oft zahlten Schuldner am Ende rund ein Drittel mehr zurück, als sie ausgeliehen haben… Nicht allen gelingt es, sich mit Ausdauer und Disziplin zu sanieren. Blanca Müller (Name geändert) ertrank fast in den Rechnungen, alle Forderungen zusammen beliefen sich auf über 70 000 Franken. Die Schuldenberatung Kanton Zürich, an die sie sich gewendet hatte, riet ihr, Privatkonkurs anzumelden. Damit verliert man das ganze Vermögen; gleichzeitig befreit man sich von der Lohnpfändung oder den Ratenzahlungen. Die Forderungen bleiben jedoch bestehen. Falls Müller zu neuem Vermögen kommen sollte, können die Gläubiger erneut ihr Geld zurückverlangen… Ein hoch verschuldetes Leben bedeute vor allem Stress, sagt Katharina Blessing. „Ständig kommen Rechnungen, ständig vereinbart man neue Raten.“ Viele Verschuldete würden nach langem, vergeblichen Kampf irgendwann aufhören, ihre Briefe zu öffnen. In diesem Fall klingeln bald die Betreibungsbeamten an der Haustüre. „Einige halten den ständigen Druck nicht aus und werden krank“, sagt Blessing. Dadurch verlieren sie ihren Job, die Negativspirale dreht sich noch schneller. „Man muss ununterbrochen priorisieren“, sagt Fuhrer, „ausrechnen, was man wann unbedingt zahlen muss und was warten kann.“ Jede unerwartete Ausgabe stosse einem ins Nichts. „Ich bin oft fast verzweifelt, sah keinen Ausweg.“ Hinzu kommt die Angst, sich zu blamieren. Er habe seine Schulden lange verborgen gehalten. Dazu erfand er immer neue Ausreden, warum er die Kollegen nicht in den Ausgang begleiten konnte; warum er beim verlängerten Wochenende in Grindelwald fehlte. „Das macht einsam. Aber ich schämte mich.“ Weiterlesen.