Der Kampf gegen kriminelle Clans wird geschwächt Hinzugefügt am 21. Oktober 2025 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Kommentar von Fabian Baumgartner in der NZZ vom 21. Oktober 2025) Der Kampf gegen kriminelle Clans und mafiöse Netzwerke droht in der Schweiz auf richterliches Geheiss geschwächt zu werden. Den Justiz und Politik fehlt es am Verständnis für das Wesen der organisierten Kriminalität. Das zeigt der Umgang mit den Chats aus dem Messenger Sky ECC. Die gefährlichsten kriminellen Gruppierungen haben sich in der Schweiz festgesetzt. Es geht um Mitglieder der italienischen ’Ndrangheta, die im grossen Stil Kokain verschieben, es geht um albanische Familienclans, die im Drogenhandel tätig sind, und es geht um nigerianische Netzwerke wie die Black Axe, die mit Liebesbetrug und der Ausbeutung von jungen Frauen weltweit Milliardenbeträge erwirtschaften. Diesen mächtigen Netzwerken setzt die Schweiz bis jetzt nur wenig entgegen. Schlimmer noch: Manchmal wird der Kampf gegen das organisierte Verbrechen hierzulande gar geschwächt. Das zeigt der Umgang mit der verschlüsselten Messenger-App Sky ECC. Sky ECC galt als einer der sichersten Messenger der Welt. Kriminelle fühlten sich darauf so sicher, dass sie sogar Selfies von sich verschickten, auf denen sie in ihren Häusern oder vor einer Grossladung Kokain posierten. In Chats sprachen sie hemmungslos über Folter, Auftragsmorde und Entführungen. Doch 2021 gelang es Ermittlern aus mehreren Ländern, die Plattform zu knacken. Laut Europol erhielten die Strafverfolger damit Zugang zu mehr als einer Milliarde Nachrichten von über 170’000 Nutzern. Mehrere tausend von ihnen befanden sich in der Schweiz. Die Daten führten vor Augen, wie verbreitet die kriminellen Netzwerke in der Schweiz bereits sind und wie unangreifbar sie sich fühlen. Einige der Verbrecher unterhielten sich sogar darüber, wie man Einfluss auf die Schweizer Justiz nehmen kann. Ein einschneidendes Urteil Doch bei den Schweizer Ermittlern ist der Jubel über den spektakulären Coup der europäischen Behörden inzwischen grosser Ernüchterung gewichen. Grund ist ein einschneidendes Urteil des Zürcher Obergerichts. Im August hat dieses nämlich Nachrichten, die europäische Ermittlungsbehörden aus dem Dienst abgefangen hatten, für absolut unverwertbar erklärt. Sollte das Urteil auch vor dem Bundesgericht Bestand haben, würde der Kampf gegen die organisierte Kriminalität richterlich empfindlich geschwächt. Denn dann könnten mehrere Dutzend grosse Ermittlungsverfahren in sich zusammenfallen. Die Schweiz wäre das erste Land in Europa, in welchem die Ermittler nicht mehr auf die Chats zugreifen dürften. In Deutschland, Italien, Belgien, Frankreich und den Niederlanden liegen bereits letztinstanzliche Entscheide vor, die die Chats als Beweismittel zulassen. Nur die Schweiz führe einen Sonderzug. Das ist unverständlich. Es geht dabei nicht um kleine Fische, sondern um kriminelle Aktivitäten im grossen Stil. Über Sky ECC kommunizierten unter anderem ein junger Krimineller, dem die Justiz vorwirft, mit Dutzenden Kilogramm Kokain, Heroin und Waffen gehandelt zu haben. Verwendung fand die App auch bei Mitgliedern eines Clans, der in der Schweiz jahrelang mit grossen Mengen von Drogen handelte und die Erlöse über ein Reisebüro wusch. Über den Messenger war auch der belgische Kokainkönig Flor Bressers aktiv, als er in der Schweiz auf der Flucht vor den Behörden ein Luxusleben führte. Dringender Handlungsbedarf Natürlich sollen die Gerichte in jedem Fall genau prüfen, ob Beweise korrekt erhoben worden sind und ob beispielsweise ein Smartphone mit der Sky-ECC-App auch eindeutig einem Beschuldigten zugeordnet werden kann. Aber die Folgen in diesem Fall wären viel einschneidender. Denn als Hauptargument nennt das Obergericht das Territorialprinzip. Dieses besagt, dass die Strafverfolger nur auf eigenem Staatsgebiet ermitteln dürfen. Und das ist in seiner Absolutheit problematisch, denn das organisierte Verbrechen kennt keine Landesgrenzen. Bestätigt das Bundesgericht den Entscheid, dann hätte das Folgen über Sky ECC hinaus. Die Konsequenz lautet: Die Schweiz bliebe künftig bei ähnlichen Ermittlungsaktionen aussen vor. Für Kriminelle ein hilfreiches Schlupfloch. Die Schweiz würde zum sicheren Hafen für das organisierte Verbrechen. Das gilt es unbedingt zu verhindern. Der Kampf gegen Verbrechersyndikate ist in der Schweiz schon jetzt ein Stückwerk. Kehrt das Bundesgericht das Urteil nicht, haben die Kriminellen ein noch leichteres Spiel. Handlungsbedarf ist dringend angezeigt.