Die Papierflut ist noch lange nicht vorbei Hinzugefügt am 18. April 2019 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug #12app.ch_Tages-Anzeiger vom 17. April 2019 / von Matthias Schüssler) Die Idee, geschäftliche Dokumente nur noch elektronisch zu verwalten, gibt es schon lange. Warum sie sich bis heute noch nicht durchgesetzt hat. Die Vision ist bald ein halbes Jahrhundert alt. 1975 beschrieb die Zeitschrift «Business Week» das Büro der Zukunft. So wie das Flugzeug das Reisen und der Fernseher das Familienleben revolutioniert hätten, werde der Computer den geschäftlichen Alltag auf den Kopf stellen. George E. Pake stellte im Artikel die Umwälzungen für die nächsten zwanzig Jahre in Aussicht. Dieser Pake war nicht irgendwer: Der Physiker hatte den Xerox Parc gegründet – jenes Forschungszentrum, in dem Steve Jobs viele jener Erfindungen gesehen hatte, die den legendären Macintosh erst möglich machen sollten. Pake prognostizierte, dank Computern würden die Leute alle Dokumente auf Knopfdruck abrufbereit haben, und Papier werde bald überflüssig sein. Diese Computer sind Realität und viel leistungsfähiger, als Pake sie sich damals wohl vorgestellt hat. Das papierlose Büro ist deswegen aber nicht Realität geworden. Die Vision stagniert, das hat auch eine Umfrage von Sage, einem Hersteller für Unternehmenssoftware, im Sommer 2017 ergeben: Zwar wollen 71 Prozent der Unternehmen in der Schweiz, Österreich und Deutschland das Papier eliminieren. Doch nur wenige kommen über erste Schritte hinaus: Es wird fröhlich weitergedruckt, und zwar vor allem fürs Archiv (47 Prozent), für die interne Weitergabe und zum Lesen (je 34 Prozent). Alte Gewohnheiten sind hartnäckig, wie auch ein Autor der Zeitschrift «Wired» konstatieren musste: Er schrieb entnervt, er wäre schon mit dem papierarmen Büro zufrieden – angesichts des Umstands, dass jeden Tag eine Milliarde Fotokopien angefertigt würden. Abstrakt und kompliziert Die meisten Unternehmen und auch Private sind sich bewusst, dass sie nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch beträchtlich Kosten sparen könnten, wenn die Unternehmen alle ihre Drucker entsorgen und ihre Ablage nur noch digital verwalten würden. Doch es gibt Hindernisse: Die meisten Abläufe sind digital viel weniger fassbar. Eine Rechnung auf Papier zu visieren, ist ein Klacks. Sie als digitale Datei mit einer Unterschrift zu versehen, ist ein viel abstrakterer Vorgang. Wie die Ablage in Form von Bundesordnern funktioniert, sieht man auf den ersten Blick. Wie man Dokumente auf dem Server platziert und wiederfindet, ist nicht ganz so augenfällig. Auch das digitale Gegenstück des Papiers hat seine Tücken. Das ist das Portable Document Format oder kurz PDF. Es ist äusserst vielseitig und für die unterschiedlichsten Einsatzbereiche optimiert. Die Schwierigkeit bei digitalen Dokumenten liegt darin, den Originalzustand zu bewahren. Doch es ist kein Kulturgut, das der Menschheit seit Jahrhunderten vertraut ist. Dieses PDF ist die Entwicklung einer einzelnen Firma: Das kalifornische Softwareunternehmen Adobe hat es 1993 lanciert und anfänglich als proprietäres Produkt vermarktet. Inzwischen ist das PDF zwar fast so frei nutzbar wie das richtige Papier: Es wurde zur ISO-Norm erklärt, und 2008 hat Adobe eine öffentliche Lizenz für die kostenlose Nutzung aller betroffenen Patente ausgestellt. Doch die Angst vor Abhängigkeit bleibt: Microsoft hat seitdem bei Windows nicht viel mehr als die Möglichkeit eingebaut, PDF-Dateien im Edge-Browser anzuzeigen. Die grösste Hürde besteht jedoch darin, dass das digitale Papier im Vergleich zum Material aus Faserstoffen komplex und anspruchsvoll ist. Zum Beispiel die gesetzliche Anforderung, Dokumente unveränderlich zu archivieren. Um Papierdokumente nachträglich überzeugend zu manipulieren, braucht es die Talente eines Fälschers. Bei digitalen Dokumenten liegt die Veränderbarkeit in der Natur der Sache. Die Schwierigkeit liegt darin, den Originalzustand zu bewahren. Dazu braucht es Dinge wie Verschlüsselung und digitale Signaturen – nur, damit man nachher digital gleich weit ist wie vorher analog. Auch um die unerwünschte Verbreitung von Dokumenten einzudämmen, werden aufwendige Schutzmassnahmen benötigt. Und es bleibt der sinnliche Aspekt: Papier ist vertraut, handfest und griffig. Da wundert es nicht, dass der Papierverbrauch trotz der technischen Revolution nicht gesunken, sondern über Jahre sogar gestiegen ist. Eine Statistik der letzten Jahre zeigt für die Schweiz erst seit kurzem eine Trendumkehr… Weiterlesen. Der Papierkram kostet Milliarden Adieu, Aktenberg! Rekord bei elektronischer Betreibungsabwicklung