Hohe Inkassogebühren bleiben Juristenfutter Hinzugefügt am 31. Mai 2017 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag Tages-Anzeiger vom 30. Mai 2017 / von Andreas Valda, Der Artikel ist online nicht verfügbar) Der Ständerat lehnt es ab, Inkassogebühren strenger zu regeln. Wer die Kosten zu hoch findet, muss einen Anwalt einschalten. Die Konsumentenpresse liefert immer wieder Fälle hoher Inkassogebühren, auch bekannter Firmen, so etwa der Fall von H. In der Januar-Ausgabe des Magazins „K-Geld“. Die Frau schuldete Salt Mobile 536 Franken. Das Inkassounternehmen Intrum Justitia forderte von ihr nebst diesem Betrag und weiteren Spesen einen „Verzugsschaden“ von 225 Franken. Die Frau bezahlte. Der Betrag entspricht dem Maximum des vom Verband der Inkassofirmen (VSI) empfohlenen Tarifs. Dieser publiziert ihn in einer nach Schuldhöhe abgestuften Tabelle. Doch ob der Tarif rechtlich standhält, ist unklar. Als der Freund von H. die Zahlung bemerkte, schaltete er eine Anwältin ein, mit der Forderung an Salt beziehungsweise Intrum, die 225 Franken zurückzuzahlen. Als die Frau die Forderung einklagte, lenkte Intrum aussergerichtlich ein. Sie erstattete die 225 Franken und überwies der Frau auch eine Prozessentschädigung von 300 Franken. Ein Bundesgerichtsurteil gibt es nicht. Der Fall zeigt, dass es unklar ist, ob und in welcher Höhe der Schadenersatz für Betreibungskosten gerechtfertigt wäre. Der Verband verlangt neue, klare Regeln, etwa Pauschalen. Die Stiftung für Konsumentenschutz will bei der heutigen Regelung bleiben, die eine Von-Fall-zu-Fall-Beurteilung durch die Gerichte vorsieht. Der Bundesrat, vertreten durch Simonetta Sommaruga, sieht ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Allenfalls könne über einen Paragrafen nachgedacht werden, der „allen Personen, die im Inkasso tätig sind, bestimmte Verhaltenspflichten auferlegt“, hiess es im März. Gestern lehnte es der Ständerat ab, Inkassogebühren strenger zu regeln. Er entschied einstimmig, nichts zu tun, sprich, es weiterhin den Gerichten zu überlassen, zu beurteilen, wie viel das Inkasso im Einzelfall kosten darf. Damit sind beispielsweise im Gesetz verankerte Kostenpauschalen vorerst vom Tisch. Doch der Verband will das Thema nicht ruhen lassen. „Zu überlegen wäre die Einführung einer Zulassungsbewilligung für Inkassofirmen. Damit könnten unfaire Praktiken im Inkassowesen reduziert werden“, sagte auf Anfrage der Anwalt und Sprecher des Verbandes, Patrik Kneubühl. Der VSI wolle helfen, Missbräuche zu bekämpfen. „Wir verpflichten uns zu fairen Inkassopraktiken“… Doch der jüngste von „K-Geld“ publizierte Fall von Intrum zeigt, dass allein schon die Tabelle des Verbands für den Verzugsschaden kein probates Mittel ist, um als Schuldner eine Gewissheit zu erlangen, was fair wäre. „Die Rechtspraxis der Kantons- und Bezirksgerichte zur Höhe der akzeptablen Verzugsschäden variiert stark“, sagt auch Kneubühl. Gegner des Verzugsschadens argumentieren, dass mit dem im Gesetz verankerten Verzugszins im Regelfall auch der Schaden vergolten sei, ausser beide Seiten vereinbarten es anders. Dagegen wehrt sich Kneubühl: „Der Verzugszins von heute 5 Prozent ist nicht da, um die Kosten zu decken. Dieser entschädigt die entgangenen Zinsen. Man sei aber „offen für alternative Lösungen“. Anmerkung Redaktion VGBZ Art. 27 Abs. 3 SchKG: Niemand kann verpflichtet werden, einen gewerbsmässigen Vertreter zu bestellen. Die Kosten der Vertretung dürfen nicht dem Schuldner überbunden werden. Das heisst: Dem Schuldner steht es jeweils offen einen Teil der Forderung (z.B. den geltend gemachten Verzugsschaden) zu bestreiten. Dazu ist es auch noch nicht nötig, einen Anwalt einzuschalten. Textauszug aus dem Fachbuch „SchKG – Ein Leitfaden für die Praxis“, Seite 78, Ziffer 4.1.2 zur provisorischen Rechtsöffnung (Quellenangabe) … Es ist immer möglich, den Schuldner eine solche einseitige Erklärung unterzeichnen zu lassen, er ist dazu aber nicht verpflichtet. In der Praxis wird der Gläubiger deshalb in den seltensten Fällen eine einseitige Schuldanerkennung vorlegen können. Oftmals ist es so, dass Inkassofirmen solche Schuldanerkennungen mit zusätzlichen Kosten zu ihren Gunsten versehen und diese mit einer Zahlungsvereinbarung verbinden. Diese gewährt dem Schuldner einen Aufschub der gesamten Forderung, gleichzeitig akzeptiert er aber die – meist nicht unerheblichen – Nebenforderungen, welche gesetzlich nicht vorgesehen sind, ja seitens des Gesetzgebers eigentlich explizit ausgeschlossen werden (SchKG 27 Abs. 3). Textbeitrag im Tages-Anzeiger vom 30. Mai 2017 / Artikel von Andreas Valda Textauszug aus dem Fachbuch, 4. vollständig überarbeitete Auflage 2015