Messie-Mieter oder wenn die Justiz (verw)irrt Hinzugefügt am 2. März 2018 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Beobachter vom 22. Dezember 2017 / von Peter Johannes Meier) Ein Pilot kehrt nach Jahren in die Schweiz zurück und kauft ein Mietshaus. Was er mit einem Messie-Mieter erlebt, lässt ihn am Rechtsstaat verzweifeln. Peter Loser (Name geändert) war Linienpilot in den Arabischen Emiraten. Nach dem Swissair- und dem Crossair-Debakel hatte er das Angebot der Scheichs angenommen. Nach mehreren Jahren Dubai sass er nun als Passagier in einem Flugzeug und guckte durch das ovale Fenster. Alles grün. Landeanflug auf die Heimat. Die Jahre in der islamischen Diktatur hatten seine Sicht auf die Schweiz verändert. „Ich war dort ein Gastarbeiter ohne Rechte, sass mit Frau und Kindern in einem goldenen Käfig.“ Da wurde ihm klar: „Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat. Das sind mehr als Floskeln. Sie machen ein gutes Leben erst möglich.“ Das wollte der heute 50-Jährige zurück. Er ahnte nicht, dass es keine sanfte Landung werden würde. Er hatte ja alles gut vorbereitet. An den Walensee wollte er, dort hatte er in einer kleinen Gemeinde bereits ein Haus gekauft. Ein Mehrfamilienhaus mit vier Mietparteien. Eigentlich wollte er auch mit seiner Familie dort einziehen. Es kam anders. Einer seiner Mieter war – ziemlich speziell. „Die meisten Leute würden ihn wohl als Messie bezeichnen“, sagt Loser. Der 74-jährige Mieter sieht sich dagegen als Künstler. Sein Schaffen wurde für Loser und die anderen Mieter immer unerträglicher… Das gigantische Puff wurde für Loser zu einem wirtschaftlichen Problem. „Wenn eine Wohnung frei wurde, konnte ich keinen Mieter mehr finden. Es war unzumutbar, hier zu wohnen. Ich bot dem ‹Künstler› mehrmals Hilfe beim Räumen des Gartens an. Ich hätte es auch akzeptiert, wenn er auf einem Teil des Grundstücks – etwas abgeschirmt – sein Werk hätte gedeihen lassen.“ Immerhin erfuhr er, dass sich das gleiche Drama schon einmal abgespielt hatte, am ehemaligen Wohnort des Künstlers in einer Zürcher Gemeinde. Damals dauerte es zwei Jahre, bis er das Haus nach der Kündigung räumte. Loser entschied, dem Künstler zu kündigen. Korrekt teilte er ihm das auf einem offiziellen Kündigungsformular mit… Er akzeptierte die Kündigung nicht, sie sei missbräuchlich. Vor der Schlichtungsstelle gab es keine Einigung. Der Künstler klagte. Weil er mittellos ist, bewilligte man ihm sogar einen unentgeltlichen Rechtsbeistand… Die Gratisanwältin hatte erfolgreich gewirkt. Der Fall sei überhaupt nicht klar, argumentierte sie in einer Eingabe… Der Fall musste jetzt vor das Kreisgericht. Doch dort war dann plötzlich alles anders. Die Anwältin zog die Eingabe wegen unrechtmässiger Kündigung ohne Begründung zurück. Sie verlangte nur noch eine längere Kündigungsfrist. „Warum dann das ganze Theater?“, fragte sich Loser. „Um Stunden zu verrechnen? Um mir das Leben zusätzlich schwerzumachen?“ … Die Anwältin beantragte darum eine Mieterstreckung bis Ende Oktober 2017, ein Jahr länger als die ordentliche Frist. Als Grund führte sie auch gesundheitliche Probleme des Künstlers an, die einen Umzug verlängern würden. Mit dem gleichen Argument hatte der Künstler vor acht Jahren am Zürichsee eine Fristverlängerung um zwei Jahre erstritten. Als „Schmerzensmann“ hatte er sich damals bezeichnet, der wegen einer heimtückischen Krankheit nicht mehr lange leben würde. Im aktuellen Fall schlug die Richterin eine Fristverlängerung um fünf Monate vor. „Sie fragte mich, ob ich das als Vergleich akzeptieren würde. Oder ob ich ein Urteil wolle“, erinnert sich Loser. Er verlangte ein Urteil, da er keinen Grund für eine weitere Fristverlängerung sah. „Der Mieter hätte das Haus bereits vor zwei Monaten verlassen müssen.“ Das folgende Urteil zerstörte Losers Vertrauen in die Justiz komplett. Es blieb bei den fünf Monaten. Zudem wurden ihm die gesamten Verfahrenskosten von 1200 Franken auferlegt. Und die Anwältin seines Mieters war nicht mehr unentgeltlich – Loser musste sie bezahlen, 3961 Franken. Im Urteil ist er die unterlegene Partei. Nicht weil seine Kündigung missbräuchlich gewesen wäre. Diesen Vorwurf hatte die Anwältin ja zurückgezogen. Aber er muss dem Mieter eine Fristverlängerung einräumen. „Ich habe mir überlegt, das Urteil mit einem Anwalt weiterzuziehen. Wenn ich gewinnen würde, müsste ja der Künstler die Kosten tragen.“ Bloss gilt der als mittellos. Die Rechnungen würden wieder an Loser hängenbleiben. Die Kosten waren das eine, die wochenlangen Räumungsarbeiten das Schlimmere. „Die persönlichen Dinge zügelte die Kirche für den Künstler. Das ist okay. Das tonnenschwere Puff im Garten durfte ich dann räumen, mit Hilfe von Kollegen und meinen Söhnen.“ Es dauerte Wochen. «Und es war eklig. Undefinierbares, verrottendes Zeugs. Darunter Kurioses wie eine Plazenta in Formaldehyd und aufgehängte tote Mäuse… Da hatte der Künstler schon eine neue Bleibe. Die letzten Monatsmieten wollte er nicht mehr bezahlen. Weiterlesen. Zwangsrechtliche Ausweisungen im Kanton Zürich Im Kanton Zürich wurden im Jahr 2017 687 Vollstreckungen (insbesondere Ausweisungen und amtliche Verbote) vollzogen. Zuständig dafür sind die Gemeinde- / und Stadtammannämter. Eine Reportage von Peter Johannes Meier im Beobachter Betreibungsauszüge gefälscht und keine Miete bezahlt