Millionenschaden: Winterthur scheitert mit grossem IT-Projekt Hinzugefügt am 3. November 2025 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag NZZ vom 31. Oktober 2025 / von Zeno Geisseler) Eine komplexe Personalsoftware sollte per Anfang 2026 in Betrieb genommen werden. Doch jetzt hat die Stadt die Übung abgebrochen. Die lange Liste der gescheiterten staatlichen IT-Projekte ist um einen teuren Eintrag reicher: Winterthur stellt eine der wichtigsten Systemumstellungen der letzten Jahre Knall auf Fall ein. Wie die zweitgrösste Stadt des Kantons Zürich am Freitag bekanntgegeben hat, kann ein neues komplexes Personalsystem nicht wie geplant eingeführt werden. Es handelt sich dabei um die Teilkomponente einer sehr grossen Software-Umstellung. Winterthur ist bereits seit 2021 daran, zwei in die Jahre gekommene IT-Systeme zu ersetzen, eines für die Finanzen und eines für das Personal. An ihrer Stelle soll eine gemeinsame Lösung zum Einsatz kommen, das sogenannte «WinRP». Als Projektpartnerin wählte Winterthur nach einer öffentlichen Ausschreibung die OBT AG aus Zürich, als Software sollte Abacus installiert werden. Bei Abacus handelt es sich um ein Standardpaket, das bei vielen Gemeinden und mehreren Kantonen im Einsatz ist. Für die Umstellung veranschlagte der Stadtrat vor drei Jahren Investitionskosten von 7,1 Millionen Franken, dazu weitere 9,3 Millionen Franken an Betriebskosten für eine Dauer von acht Jahren. Doch das Projekt lief nicht wie geplant. Während der Teilbereich Finanzen seit Anfang 2025 im operativen Einsatz steht, ist es beim Personalsystem zu Verzögerungen gekommen. Im Juli war ein Abbruch noch ausgeschlossen Im Juli 2025 informierte der Stadtrat über Mehrkosten von rund 1,3 Millionen Franken wegen der Verspätung. Damals schloss Winterthur einen Projektabbruch oder einen Anbieterwechsel noch explizit aus. Dies wäre ein «Verstoss gegen vertragliche Vereinbarungen und würde erhebliche Mehrkosten und Funktionsausfälle im Personalwesen» zur Folge haben, hielt der Stadtrat fest. Zudem müsste bei einem Stopp der ganze Prozess neu aufgesetzt werden. Jetzt hat sich der Stadtrat umentschieden und dem Personalprojekt doch den Stecker gezogen. Nur das Finanzsystem soll weiterbetrieben werden. Warum genau die Stadt die Übung abgebrochen hat, sagt sie nicht. Sie spricht in ihrer Mitteilung lediglich davon, dass es «aus verschiedenen Gründen» zu Verzögerungen gekommen sei. Deshalb sei ein erfolgreicher Abschluss des Personalprojekts nicht mehr realistisch. Die Winterthurer Stadtverwaltung dürfte versuchen, jede Verantwortung von sich zu weisen. Der Stadtrat sprach jedenfalls bereits im Juli davon, dass die Projektverzögerung «ausserhalb des Einflussbereichs der Stadt» liege. Am Ende geht es um das Geld Wie die Stadt die Situation heute beurteilt, ist nicht bekannt. Abgesehen von der Medienmitteilung nimmt sie keine Stellung. Sie kommentiert auch ihre frühere Aussage nicht, wonach ein Abbruch grosse technische, rechtliche und finanzielle Konsequenzen hätte. Michael Scholz von der Stadtkanzlei ergänzt auf Anfrage einzig, dass Winterthur «eine partnerschaftliche Rückabwicklung mit der Software-Anbieterin» anstrebe. Ein OBT-Sprecher sagt, man nehme es «mit Bedauern und Verwunderung» zur Kenntnis, dass Winterthur das Projekt «auf halber Strecke» abbreche. Das habe man in der 30-jährigen Unternehmensgeschichte noch nie erlebt. Die Firma habe «zig solcher Projekte» mit Gemeinden, Städten, Kantonen und bei namhaften KMU umgesetzt. Nun sei man bemüht, die Zusammenarbeit mit der Stadt einvernehmlich zu beenden. Auf beiden Seiten dürfte es bei der «partnerschaftlichen» und «einvernehmlichen» Abwicklung letztlich vor allem um eines gehen: Geld. Jemand wird die aufgelaufenen Kosten des abgebrochenen Projekts tragen müssen. Die Frage ist nur, ob das die Stadt sein wird oder das Unternehmen. Es ist gut möglich, dass das am Schluss die Gerichte entscheiden werden. Winterthur will für eine neue Software-Lösung nun wieder eine öffentliche Ausschreibung vornehmen. Damit dürften weitere Jahre vergehen, bis ein brauchbarer Ersatz für sein Uralt-System installiert wird. Dies ist ein Zeitrahmen, den die Stadt eigentlich gar nicht hat. Schon im Juli sprach der Stadtrat davon, dass eine weitere Verzögerung nicht möglich sei, da das bisherige System das Ende seiner technischen Lebensdauer erreicht habe.