Schuldenfalle Krankenkasse Hinzugefügt am 7. Oktober 2019 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag Blick vom 7. Oktober 2019 / von Ruedi Studer) Tausende zahlen doppelt Prämien! Es ist eine absurde Situation. Tausende Personen in der Schweiz sind bei zwei Krankenkassen grundversichert – und müssen dementsprechend doppelt Prämien zahlen. Jetzt reagieren Politik und Schuldenberatung. Die neuen Krankenkassenprämien flattern bis Ende Oktober ins Haus. Zeit also, die Kasse zu wechseln, wenn man Prämien sparen will. Aber Vorsicht: Ein Wechsel zu einer anderen Kasse ist nur mit einer rechtlich sauberen Kündigung möglich. Erstens müssen sämtliche Ausstände wie Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen oder Betreibungskosten bei der alten Kasse bezahlt sein. Zweitens muss die Kündigungsfrist eingehalten werden. Nur dann darf die neue Kasse einen Versicherten aufnehmen. Damit soll verhindert werden, dass man in der Grundversicherung doppelt oder gar dreifach versichert ist – und damit die Prämienrechnung noch viel höher ausfällt. So viel zur Theorie. Denn die Praxis sieht anders aus. So befanden sich 2017 «einige Tausend Versicherte in einer Doppelversicherungssituation». Dies schreibt der Bundesrat in der Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrätin Bea Heim (73, SO). Wie es trotz des Verbots so weit kommen konnte, ist unklar. «Offenbar funktioniert die Kommunikation zwischen den Krankenkassen nicht immer», sagt Claudia Odermatt (40), Rechtsanwältin bei der Caritas-Schweiz-Fachstelle Schuldenberatung. Sie ist immer wieder mit Fällen von doppelt Grundversicherten konfrontiert. Ein Teufelskreis Doppelversicherungen sind keine Randerscheinung», sagt Odermatt. «Wer bei uns landet, steckt meistens schon in einem Teufelskreis. Werden die Prämien nicht bezahlt, kommen schon bald Betreibungen – und die Schulden häufen sich weiter an.» Manche Betroffene würden erst nach Jahren Hilfe suchen. «Dann beträgt der Prämienschuldenberg nicht selten schon Tausende von Franken», so Odermatt. «Zudem erschweren Einträge im Betreibungsregister die Wohnungs- und Stellensuche.» Ist das Problem erkannt, folge zum Teil «ein langwieriges Prozedere mit den Krankenkassen, bis die zu Unrecht eingeforderten Prämien, Gebühren und Betreibungskosten zurückbezahlt sind». Fragt sich bloss, warum die Betroffenen selbst nicht schon früher intervenieren. «Viele Schuldner sind schlicht überfordert oder realisieren ihre Situation gar nicht. Bei anderen wiederum sind Vermittler im Spiel, die ihre Arbeit nicht sauber gemacht haben», so Odermatt. Caritas fordert deshalb, dass die Krankenkassen den Informationsaustausch verbessern. Aber auch, dass die gesetzlichen Grundlagen verschärft werden, um Doppelversicherungen zu verhindern. «Denkbar wäre zum Beispiel ein zentrales Versichertenregister oder Bussen für Krankenkassen, die den Informationsaustausch nicht gewährleisten», so Odermatt. Politisch Druck macht nun Grünen-Nationalrätin Maya Graf (57, BL). Sie hat in der Herbstsession eine Motion eingereicht, in der sie vom Bundesrat verlangt, das Gesetz so anzupassen, «dass niemand zwei oder mehr obligatorische Krankenpflegeversicherungen für den gleichen oder überschneidenden Zeitraum abschliessen kann». Krankenkassen wollen besseren Datenaustausch Auch die Krankenkassen sind nicht glücklich mit der Situation: «Für die Krankenversicherer verursachen Doppelversicherungen einen grossen bürokratischen Aufwand», sagt Manuel Ackermann (45) von Santésuisse, dem Verband Schweizer Krankenversicherer. Weil stets das ältere Versicherungsverhältnis Vorrang habe, müsse das neue rückabgewickelt werden, was sehr aufwendig sei. «Die Versicherer sind sehr daran interessiert, solche Situationen zu vermeiden, weil damit zugunsten der Prämienzahler Geld gespart werden kann.» Dass es trotzdem immer wieder Fälle von Doppelversicherungen gebe, sei häufig auf Formfehler zurückzuführen. Es komme aber auch vor, dass Versicherte ohne korrekte Abmeldung für längere Zeit ins Ausland reisen würden. «Diese müssen per Gesetz weiterversichert werden, kommen zurück – eventuell in einen anderen Kanton – und melden sich bei einem anderen Versicherer an», so Ackermann. Auch Santésuisse ortet daher Handlungsbedarf. «Wir haben wiederholt mehr Transparenz und einen besseren Datenaustausch mit den Kantonen und Gemeinden angeregt, damit auch das Problem der Doppelversicherungen möglichst effizient angegangen werden kann», sagt Ackermann. Dabei denke der Verband insbesondere an einen besseren elektronischen Datenausgleich zwischen Kantonen und Krankenversicherern. Zwei entsprechende Vorstösse hat der Nationalrat bereits gutgeheissen. «Es ist ein Teufelskreis» / Schuldenfalle Krankenkasse – Therese M. (56) war doppelt versichert (Textauszug Blick vom 8. Oktober 2019 / von Lea Hartmann) Ruft ein Krankenkassenmakler an, hängt Therese M.* (56) aus Schwanden GL sofort auf. Sie will unter keinen Umständen Gefahr laufen, ein zweites Mal in den Strudel zu geraten, aus dem sie sich die vergangenen fünf Jahre mühsam herausgekämpft hat. M.s Problem: Sie war bei zwei Krankenkassen gleichzeitig grundversichert. Von Gesetzes wegen ist das eigentlich verboten. Wie BLICK berichtete, ist die Glarnerin kein seltener Einzelfall. 2017 befanden sich laut Bundesrat mehrere Tausend Versicherte in einer sogenannten Doppelversicherungssituation… Das volle Ausmass des Problems wurde M. erst bewusst, als plötzlich eine Betreibung für die nicht bezahlten Prämien ins Haus flatterte. «Ich dachte, mit dem Nachzahlen der offenen Rechnung sei das Ganze erledigt», sagt sie. Doch weit gefehlt. Das Durcheinander hatte zur Folge, dass M. am Schluss auch von der Groupe Mutuel betrieben wurde. Inzwischen hat sie die doppelt gezahlten Prämien zwar rückerstattet bekommen. Das «Riesentheater» kostete sie aber nicht nur jede Menge Nerven, sondern wegen der Betreibungen auch eine Stange Geld. «Es ist ein Teufelskreis», sagt Therese M. Weiterlesen. Motion 19.4195 Graf Maya: Doppel- und Mehrfachversicherungen im KVG verhindern. Der Bundesrat wird beauftragt, das KVG so anzupassen, dass niemand zwei oder mehr obligatorische Krankenpflegeversicherungen nach KVG für den gleichen oder überschneidenden Zeitraum abschliessen kann. Eingereicht am 26. September 2019 im Nationalrat. Im Rat noch nicht behandelt.