Existenzminimum: Was muss zum Leben reichen? Hinzugefügt am 5. Februar 2018 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Beobachter vom 2. Februar 2018 / von Anita Hubert) Wer überschuldet ist, darf mehr Geld für sich behalten, als ein Bezüger von Sozialhilfe. Warum? Experten kritisieren die Berechnung des Existenzminimums. „Wie hoch ist mein Existenzminimum? Das fragen viele Anrufende an der Beratungshotline des Beobachters. Die Antwort hängt davon ab, weshalb jemand in Not geraten ist. Wer nicht mehr in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Mittel für ein menschenwürdiges Dasein. So steht es in der Bundesverfassung. Wer wie viel bekommt oder behalten darf, ist dort aber nicht geregelt. Je nach dem Grund, warum jemand nicht mehr über die Runden kommt, ist das Existenzminimum anders definiert. Eine überschuldete Person hat zum Beispiel ein höheres Existenzminimum zugut als jemand, der auf Sozialhilfe angewiesen ist. Und wenn eine AHV- oder IV-Rente nicht zum Leben reicht, können Betroffene Ergänzungsleistungen beantragen; dadurch kommen sie auf ein weit höheres Existenzminimum als Sozialhilfebezüger. Am tiefsten ist das Existenzminimum für Asylbewerber definiert (siehe Beispiele). Die Unterschiede sind nicht immer plausibel – und deshalb umstritten. „Die verschiedenen Existenzminima haben sich im Lauf der Zeit unabhängig voneinander herausgebildet“, erklärt Felix Wolffers, Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). „Es gibt in der Schweiz keine Instanz, die für eine einheitliche Festlegung der Existenzminima zuständig ist.“ So bestimmt der Bund etwa die Höhe der Ergänzungsleistungen, hat aber in der Sozialhilfe nichts zu sagen. Sie wird kantonal festgelegt. Dabei gelten ausserdem je nach Gemeinde unterschiedliche Ansätze. Dieses Nebeneinander verschiedener Systeme und unterschiedlicher Leistungen findet Wolffers wenig sinnvoll. „Es ist Zeit, die Systeme anzugleichen. Dabei könnten regional unterschiedliche Mieten und Krankenkassenprämien durchaus berücksichtigt werden. Die Skos-Richtlinien tun das ja für die Sozialhilfe bereits.“ Die Bundesverfassung gewährleistet ein „Recht auf Hilfe in Notlagen“. Allerdings nur für Bedürftige, die sich nicht helfen können. Für Andreas Glarner, Aargauer SVP-Nationalrat und Kritiker der Skos-Ansätze, ist dieser zweite Teil entscheidend: „Wer sich selber helfen kann, soll weniger Unterstützung erhalten als jemand, dem das unmöglich ist.“ Doch warum soll einem stark Überschuldeten mehr bleiben als jenem, der keine Arbeit mehr findet? „Beim betreibungsrechtlichen Existenzminimum kann man immerhin davon ausgehen, dass noch ein ordentliches Einkommen erzielt wird“, sagt Glarner. Und jedem, der noch arbeite, sollte grundsätzlich mehr im Portemonnaie bleiben als einem Sozialhilfebezüger… Der Basler Soziologe Ueli Mäder sieht das anders. Für ihn widersprechen die unterschiedlichen Existenzminima dem Grundsatz der Rechtsgleichheit: „Sie sind flickwerkartig entstanden. Dahinter steckt keine Logik, aber eine Wertung. Davon zeugt besonders der tiefste Ansatz bei den Asylbewerbenden.“ Der höhere Ansatz bei den AHV- und IV-Renten sei dagegen erfreulich und erkämpft worden. Weiterlesen. Eine Kontroverse im Beobachter von Anita Hubert