Rechnungen bis der Briefkasten überquillt Hinzugefügt am 28. Mai 2019 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textbeitrag Zürcher Oberländer, Anzeiger von Uster vom 28. Mai 2019 / von David Marti, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion zur Publikation freigegeben) Rund ein Drittel der Beitreibungen werden ausgelöst, weil Krankenkassenprämien nicht bezahlt werden. Unnötig viele, sagen die Zürcher Stadtammänner. Nicht alle Amtskollegen aus dem Zürcher Oberland stützen diese Einschätzung. Der Aufwand der Betreibungsämter soll reduziert werden. Das haben die Stadtammänner von Zürich kürzlich anlässlich einer Konferenz mitgeteilt. Von den in der Schweiz eingereichten Betreibungen würden rund ein Viertel bis zu einem Drittel von Krankenversicherern eingeleitet. «Schwachsinn», findet Stefan Broger, Stadtammann von Illnau-Effretikon. «Die Krankenkassen machen niemals einen Drittel aller Betreibungen aus. Ich rechne mit höchstens 18 Prozent, so wie es in Illnau-Effretikon der Fall ist», sagt Broger. Eine Statistik führe er zwar nicht, das würden aber die wenigsten Betreibungsämter machen. «Ich bin ein Vollstrecker, kein Gesetzgeber.» (Stefan Broger, Stadtammann Illnau-Effretikon) Auch seine Stadtzürcher Kollegen müssen gemäss einer Medienmitteilung einräumen: «Offizielle Zahlen zur Anzahl der Krankenkassen-Betreibungen sind nur schwer erhältlich.» Sie schlagen vor, dass die Krankenkassen ihre säumigen Kunden nur noch ein bis zweimal jährlich mit einer gebündelten Forderung betreiben. So erhoffen sie sich eine Entlastung der Betreibungsämter. Dies soll mit einer Bundesverordnung festgesetzt werden. Für Stefan Broger ist eine neue Verordnung unnötig. «Schon heute betreiben die Krankenkassen nur drei bis vier Betreibungen pro Schuldner jährlich.» Ausserdem sei es nicht die primäre Aufgabe der Betreibungsämter die Krankenkassen als Gläubiger zu bevormunden. «Ich bin ein Vollstrecker, kein Gesetzgeber.» Viele Schuldner in Dübendorf Für den Vizepräsidenten des kantonalen Berufsverbandes und Dübendorfer Stadtammann Markus Zöbeli kann es auch ein grosser Nachteil sein, wenn die Krankenkassen die Schuldner nur ein bis zweimal pro Jahr betreiben: «So ist der summierte Betrag sehr hoch und die Leute können erst recht nicht zahlen», sagt Zöbeli. Auch in Dübendorf betreffen die Krankenkassen ein Viertel bis ein Drittel aller Betreibungen und wiederspiegle damit die Stadtzürcher Verhältnisse. «Bei jährlich 11‘500 bis 12‘500 Betreibungen sind entsprechend über 3’000 den Krankenkassen zuzuordnen», sagt Zöbeli. Ebenfalls sehr viele Betreibungen würden über die Steuerämter eingeleitet. Laut Zöbeli sind viele Betreibungen bei Personen auszumachen, deren Lohn gepfändet wurde. Diese werden vom Arbeitgeber direkt an die Betreibungsämter überwiesen. Ausgenommen davon ist das Geld für die monatliche Prämie der Krankenkasse. Die müssen die Schuldner selber bezahlen, was oft nicht geschehe. Zöbeli sagt: «Bei einer Lohnpfändung sind die Krankenkassenprämien meist das erste, das der Schuldner nicht mehr zahlt.» Deswegen zahle das Amt in Dübendorf dem Schuldner die Krankenkassenprämie aus dem gepfändeten Lohn zurück, wenn dieser die Begleichung der Rechnung vorweise. Das werde in allen Zürcher Ämtern die er kenne so gehandhabt. «So verhindern wir eine weitere Verschuldung der Betroffenen», sagt Zöbeli. Bei der Wohnungsmiete beispielsweise sei die Zahlungsmoral höher. Dort bestehe die Angst, dass der Vermieter den Vertrag kündige. «In Uster entfallen schon mal viele Betreibungen bei der Wohnungsmiete.» (Mario Borra, Betreibungsbeamter Uster) Niedrige Löhne – hohe Verschuldung In Uster sind die stetig steigenden Krankenkassenprämien offenbar zunehmend ein Problem für ältere Menschen. Der Betreibungsbeamte Mario Borra sagt: «Krankenkassen betreiben vermehrt auch ältere Leute, die erst ihr Erspartes für die Prämien aufbrauchen, danach aber aus Scham keine Ergänzungsleistungen beantragen und sich so verschulden.» Auch in Uster falle etwa ein Viertel bis ein Drittel der Betreibungen auf die Krankenkassen zu. «Im ersten Quartal haben wir schon 20 Prozent mehr Betreibungen bei den Krankenassen, verglichen mit dem Vorjahr», sagt Borra. Erstaunliches zeigt sich beim Vergleich der absoluten Zahlen zwischen Dübendorf und Uster. In Uster lägen die Betreibungen gemäss Borra bei total 11‘000 und sind somit etwa gleich hoch wie in Dübendorf. Weil das Betreibungs- und Stadtammannamt Uster für die Gemeinden Uster, Egg, Greifensee und Mönchaltorf zuständig ist, wohnen in diesem Einzugsgebiet über 50‘000 Personen. Dübendorf kommt zusammen mit Wangen-Brüttisellen auf etwas über 30‘000. Borra erklärt das so: «Uster hat mehr Wohneigentum. Somit entfallen schon mal viele Betreibungen bei der Wohnungsmiete.» In Dübendorf lebten zudem mehr Leute in Mietwohnungen mit kleineren Einkommen, was zu einer höheren Verschuldung führen könne. Briefkasten voll Rechnungen Ein bisschen weniger Betreibungen verzeichnet das Betreibungsamt Wetzikon für 2018. Das Amt ist neben Wetzikon auch für die Gemeinden Bäretswil und Seegräben zuständig. Rund 9‘000 Betreibungen waren es gemäss Stadtamtsfrau Ursula Gusmini im vergangenen Jahr. «Die haben resigniert und haben dauernd mit neuen Betreibungen zu tun.» (Ursula Gusmini, Stadtamtsfrau Wetzikon) Dass Krankenkassenbetreibungen bis zu einem Drittel ausmachen, glaubt sie nicht: «Ein Drittel ist etwas zu hoch gegriffen.» Ein Viertel komme da eher hin, so Gusmini. Sie bestätigt den allgemeinen Anstieg der Krankenkassenbetreibungen. So erwarte sie im laufenden Jahr etwa 10‘000 Betreibungen. In Wetzikon müssen die Schuldner belegen, dass sie die Krankenkassenprämien bezahlen, sagt Gusmini. Ansonsten überweist das Betreibungsamt die Krankenkassenprämien, sofern die Prämienrechnungen vom Schuldner vorgelegt werden. Es gebe sogar extreme Fälle, die nicht mal mehr den Briefkasten leeren würden. «Die haben resigniert und haben dauernd mit neuen Betreibungen zu tun.» Bei den Krankenkassen gebe es solche, die alle Forderungen zusammennehmen und nur einmal jährlich betreiben, so Gusmini. So sei der geforderte Betrag zwar hoch, die Betreibungsgebühren für den Schuldner aber tiefer als mehreren jährlichen Betreibungen. «Es gibt Zusatzversicherer, die bei einer Monatsprämie von 40 Franken, Mahnspesen von 120 Franken verrechnen.» Ein grosses Problem für Schuldner, wie Gusmini weiss: «Im letzten Jahr führten fast 60 Prozent unserer Betreibungen zu Pfändungen.» 190529_ZO AvU_Krankenkassenprämien bleiben als Erstes liegen (PDF) Kampf gegen Flut von Betreibungen Krankenkasse sollen weniger betreiben SP-Kantonsräte machen mobil gegen Gebührenwahnsinn Postulat KR: Keine unnötigen KK-Betreibungen Schuldenfalle Krankenkasse