Schlichten statt Richten Hinzugefügt am 20. Februar 2017 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Tages-Anzeiger / Newsnet vom 20.2.2017; Carmen Roshard, Foto: Doris Fanconi) Regula Berger, Präsidentin Friedensrichterverband Kt. Zürich Wenn sich zwei Parteien streiten, versuchen Friedensrichter diese auszusöhnen. Das braucht Fingerspitzengefühl, sagt Friedensrichterin und Juristin Regula Berger. Eine Familie mit Hund wird von einer befreundeten Nachbarsfamilie ohne Hund zum Essen eingeladen. Vor lauter Reden vergisst man den Vierbeiner, der dringend muss. Die Folge, er pisst auf den schönen Parkettboden, was zu einem Schaden führt. Trotz Freundschaft der beiden Familien kommt es zum offenen Streit, der in einer Forderungsklage bei der Friedensrichterin mündet… „Es gibt viele spannende Geschichten, die wir erleben“, sagt Regula Berger… Was auch immer den Streit verursacht, viele Verhandlungen laufen nach einem ähnlichen Muster ab. Zuerst lassen die Parteien die angestaute Wut ab, und erst nach ungefähr einer Stunde Kropfleerete stossen sie zum Kern des Problems vor. Dann wird Tacheles geredet. „Danach kann der Prozess der Vergleichbsbereitschaft starten“, sagt Berger. Oft spiele auch das Geld nur vordergründig eine Rolle, meistens gehe es um Emotionen. Vor allem dann, wenn kleine Beträge von hundert oder zweihundert Franken im Spiel sind. Oft wollen die Parteien einfach eine Meinung hören, und wenn sie diese nachvollziehen können, akzeptieren sie sie respektive den Schlichtungsvorschlag der Friedensrichterin. „Ich möchte aber festhalten, dass wir nicht Recht sprechen“, sagt Berger. „Die Parteien sollen vielmehr zu eigenen, richtigen Lösungen finden, auch wenn sich der Sachverhalt aus einer rechtlichen Optik anders darstellt.“ Das Führen dieses Amtes ist keine leichte Aufgabe. Es erfordert insbesondere Lebenserfahrung, psychische Belastbarkeit und die Fähigkeit zu vermitteln. Auch müsse ein Friedensrichter juristisch und prozessual versiert sein, Sachverhalte schnell erfassen und richtig handeln können… Es gelte, die Parteien durch die richtige Fragetechnik zu einer eigenen Erkenntnis zu führen. Es gibt aber immer wieder ganz unerwartete Wendungen. Wie bei jenen zwei Parteien, die sich während der Verhandlung immer sympathischer wurden und sich auf einmal die Grössten fanden. „Da war ich dann komplett draussen, hatte nichts mehr zu sagen“, erinnert sich Berger… Weiterlesen. Zahlen – Hohe Erfolgsquote Von den 8036 Verfahren, die im letzten Jahr im Kanton Zürich vor einem Friedensrichter landeten, konnten 65,1 Prozent drei Monate nach Klageeinreichung abgeschlossen werden. 2016 gab es weniger Klagebewilligungen als im Vorjahr, nämlich 2807 (2015: 2928). Eine Klagebewilligung wird dann ausgestellt, wenn sich die Parteien nicht einigen.