Wie der Bundesrat verschuldeten Personen helfen will Hinzugefügt am 14. Dezember 2018 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Beobachter vom 3. Dezember 2018 / von Mirko Wirsch) Wer in die Schuldenfalle gerät, findet oft zeitlebens nicht mehr hinaus. Ein neues Gesetz zur Entschuldung von Privatpersonen soll die Situation entschärften. Doch Experten sind skeptisch. „Das Thema ist völlig Tabu: wenn es sie nicht direkt betrifft, interessiert es die Menschen nicht.“ Betreibungsbeamter Bruno Crestani aus Zürich spricht davon, dass überschuldete Privatpersonen teilweise ihr Leben lang Schulden abbezahlen müssen, ohne eine Chance auf einen Neustart zu haben. Zwar gibt es für Privatpersonen die Möglichkeit, einen sogenannten Privatkonkurs anzumelden. Anders als in der Wirtschaft ist es als Privatperson aber bisher nicht möglich, mit Hilfe eines Sanierungsverfahrens wieder aus dem Schuldenloch herauszukommen. Die häufige Folge: Überschuldete Personen zahlen meist ihr Leben lang Schulden ab. Die Politik ist sich der Problematik bewusst. Ständeratsmitglied Claude Heche (SP) aus dem Jura reichte bereits 2013 eine Motion ein, welche den Bundesrat aufforderte, zu prüfen, ob das bestehende Sanierungsgesetz für Unternehmen auf Privatpersonen erweitert werden kann. Gemäss Bericht des Bundesrats vom Frühling 2018 soll das Gesetz nun angepasst werden, erste Vorschläge dazu liegen vor. Doch sind diese wirklich geeignet, das Schicksal von Betroffenen zu verbessern? … Zur Entschuldung von Privatpersonen schlägt der Bericht des Bundesrats zwei Modelle vor: Modell 1 ist für Personen mit einem geregelten Einkommen gedacht, wie dies bei Hauser der Fall ist. Dabei einigt sich der Schuldner in einem Vergleich mit seinen Gläubigern auf eine Teilsumme der Gesamtschulden. Der Rest der Schulden entfällt. Modell 2 ist für Personen, die vom Grundbetrag des betreibungsrechtlichen Existenzminimums oder der Sozialhilfe leben. Diese sollen mit einem gesetzlich geregelten Abschöpfungsverfahren aus der Schuldenfalle kommen. Das heisst, dass die betroffene Person über einen bestimmten Zeitraum alles, was über dem Grundbetrag des betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegt, pfänden muss. Nach Ablauf der befristeten Zeit werden dem Schuldner mittels eines Restschuldenverfahrens seine übrigen Schulden erlassen. Das Grundbetrag des betreibungsrechtlichen Existenzminimum für eine alleinstehende Person liegt nach Art 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bei 1100 bis 1200 Schweizer Franken pro Monat. Für ein Ehepaar beträgt es 1700 Schweizer Franken, wobei für Kinder je nach Alter 400 oder 600 Schweizer Franken dazu kommen. Experten sind sich uneinig Betreibungsbeamter Bruno Crestani findet die vorgeschlagenen Modelle gut: «Es geht vor allem darum, Menschen mit einer sehr hohen Verschuldung einen Neustart zu ermöglichen.» Er ist jedoch der Meinung, dass die Entscheidung darüber, wann welches Modell angewendet wird, nicht von der Ausgangssituation des Betroffenen abhängig sein darf – egal, ob dieser arbeitstätig ist oder Sozialhilfe bezieht. Entscheidend muss sein, in welchem Verhältnis die Schulden zu den Einkünften sind. Konkret, wie lange es dauern würde, wenn mit einer Lohnpfändung sämtliche Schulden bezahlt werden könnten. Hier müsste wohl eine Formel vorgegeben werden, sagt Crestani. «Es geht vor allem darum, Menschen mit einer sehr hohen Verschuldung einen Neustart zu ermöglichen.» (Bruno Crestani, Betreibungsbeamter) Er versteht aber auch die Kritik, mit Entschuldungsmodellen würde es den Verschuldeten zu einfach gemacht. Doch er stellt klar: «Denjenigen, welche ein solches Gesetz unfair finden, muss klar sein, dass eine solche Lösung rein pragmatisch gedacht ist. Wenn der Schuldner seine Schulden los wird, sitzt er den restlichen Steuerzahlern im Land nicht mehr auf der Tasche. Zudem wäre er aufgrund seines ungekürzten Lohnes auch wieder Konsument und Steuerzahler.» Mario Roncoroni, Co-Leiter der Berner Schuldenberatung, sieht die Ideen des Bundesrates kritischer. Aus seiner Praxiserfahrung weiss er, dass die Mehrheit der Privatpersonen ihre Schulden nie definitiv abschütteln kann. «Da helfen auch die Modelle des Bundesrates nicht.» Ausserdem befürchtet er, dass neue Gesetze die aktuell flexiblen Handlungsmöglichkeiten in der Schuldenberatung einschränken würden… Ein neues Gesetz hingegen würde in erster Linie den Gläubigern in die Karten spielen. «Wenn das Gesetz ein Entschuldungsverfahren von Privatpersonen vorsehen würde, wären die aussergerichtlichen und gerichtlichen Nachlassverträge, wie wir sie im Fall des Bundesbeamten abgeschlossen haben, praktisch abgeschafft», gibt Roncoroni zu bedenken. Weiterlesen. Hoffnung auf schuldenfreie Zukunft Privatkonkurs: BR erkennt Handlungsbedarf