Schuldenfalle Staat Hinzugefügt am 23. April 2018 | by Markus Zöbeli | Uncategorized | (Textauszug Blick vom 22. April 2018 / von Harry Büsser und Thomas Schlittler) Jede fünfte Betreibung in der Schweiz wird wegen ausstehender Steuern eingeleitet. In einigen Kantonen wird im Schnitt jedem siebten Steuerpflichtigen eine Betreibung hinterhergeschickt. Steuern brechen offensichtlich vielen das Genick. Natürlich steht nicht vor jeder Betreibung eine Explosion. Doch für viele Schweizer fühlt es sich so an. Für sehr, sehr viele: Rund 600’000 von ihnen sind überschuldet. Gemäss Sébastien Mercier hängt die Verschuldungsproblematik eng mit dem Inkasso der Steuern zusammen. Der Geschäftsleiter des Vereins Schuldenberatung Schweiz: «Von den Leuten, die überschuldet sind, haben rund 80 Prozent Steuerschulden.» Das Berner Forschungsbüro Ecoplan kam bereits 2016 zum Schluss, dass Betreibungen aus Steuerschulden in den meisten Kantonen rund 20 Prozent aller Fälle ausmachen. Dass diese Zahlen nicht gottgegeben sind, zeigt ein Blick nach Deutschland. Dort ist der Staat nicht einer der grössten Gläubiger – denn die Steuern werden direkt vom Lohn abgezogen… In der Schweiz werden Steuerrechnungen häufig nicht bezahlt. Eine Umfrage von SonntagsBlick in den Kantonen zeigt, welches Ausmass diese Problematik teilweise angenommen hat: Im Kanton Neuenburg gab es 2017 beispielsweise 120’505 Steuerpflichtige – die kantonale Steuerverwaltung für das Inkasso der Kantons-, Gemeinde- und Bundessteuern leitete 17’677 Betreibungen ein. Einzelne Steuerpflichtige können für mehrere Betreibungen verantwortlich sein. Im Schnitt aber folgten auf 1000 Steuerpflichtige 147 Betreibungen. Durchschnittlich schickte der Kanton Neuenburg also jedem siebten Steuerpflichtigen eine Betreibung. In Genf (146 Betreibungen auf 1000 Steuerpflichtige), Freiburg (126 auf 1000) und Bern (95 auf 1000) sprechen die Zahlen ebenfalls für sich. Diese Zahlen verraten nur einen Teil der erschreckenden Wahrheit – denn all jene, die eine Steuerbetreibung mittels Privatkredit verhindern konnten, sind darin nicht enthalten. Auch das sind nicht wenige: Der Vergleichsdienst Comparis hat auf Anfrage von SonntagsBlick rund 100’000 Kreditanfragen der Jahre 2014 bis 2017 ausgewertet. Ergebnis: Rund drei Prozent aller Kreditanfragen werden gestellt, um Steuern zahlen zu können. Im Durchschnitt beziehen die Betroffenen 17’700 Franken zur Tilgung ihrer Steuerschulden. Steuerschulden steigen und steigen Fachleute überrascht das nicht. Für sie ist klar: Steuerschulden sind besonders gefährlich. Sébastien Mercier von der Schuldenberatung Schweiz: «Während andere Schulden über die Jahre tendenziell abnehmen, nehmen Steuerschulden über die Jahre zu.» Ein Grund dafür sei die Tatsache, dass bei Lohnpfändungen die laufenden Steuern nicht einkalkuliert würden. «So wächst der Schuldenberg von Privatpersonen trotz Lohnpfändung weiter an», sagt Mercier. Schuldenberater fordern deshalb seit Jahren, dass die Einkommenssteuern direkt vom Lohn abgezogen und die laufenden Steuern bei der Berechnung des Existenzminimums mit einbezogen werden sollen. Für einen direkten Steuerabzug konnte sich bis jetzt nie eine politische Mehrheit erwärmen. Zuletzt wurde eine entsprechende Motion Ende 2017 im Grossen Rat von Basel-Stadt abgelehnt – mit einer einzigen Stimme Mehrheit. Bei der Berechnung des Existenzminimums jedoch gibt es seit kurzem einen Hoffnungsschimmer: Im März 2018 hat der Bundesrat einen Bericht über die Anpassung des Sanierungsverfahrens für Privatpersonen publiziert. Darin heisst es: «Da das Ziel eines neuen Verfahrens die Sanierung privater Schuldner wäre, muss der pfändbare Teil des Einkommens so definiert werden, dass der Schuldner auch wirklich saniert werden kann.» Anbieten würde sich laut diesem Bericht eine Form des sogenannten erweiterten Existenzminimums. «Einzubeziehen wären demzufolge die laufenden Steuern», heisst es in dem Papier wörtlich. Für viele Tausende wäre das eine grosse Erleichterung. Sie haben genug Probleme, in der Schuldenfalle zu überleben – auch ohne Furcht vor einer stetig wachsenden Steuerschuld… Weiterlesen.